Die versteckte Lust der Frauen - ein Forschungsbericht
scharf auf dich« in der Rattensprache â schoss in die Höhe.
Als Nächstes wandte sich das Unternehmen an Hunderte Frauen, die den Zustand ihrer Libido beklagten. In den Studien zeichnete man die Erfahrungen nach einer Dosis Bremelanotid, verabreicht in Form eines Nasensprays, auf. »Es kitzelte und pulsierte.« »Ich war ganz auf Sex konzentriert und konnte an nichts anderes mehr denken.« »Mein Orgasmus war wie früher.« »Ich konnte mehrmals zum Höhepunkt kommen.« In dem Sexualmedizin-Zentrum in Maryland, wo Wendy ihre Pillen von EB bekam, hatte der zuständige Psychologe auch groÃe Hoffnungen in Bremelanotid gesetzt. Seine Klinik hatte an der Studie teilgenommen, und er erinnerte sich daran, dass eine Frau den Wirkstoff inhalierte und dann im Wartezimmer Platz nehmen musste, damit man ihre vitalen Funktionen noch auf mögliche Nebenwirkungen überprüfen konnte. Ãberwältigt von der Verwandlung im Kopf und im Unterleib lieà sie alle, die sich in Hörweite befanden, wissen: »Ich muss meinen Mann anrufen, damit er auch sicher da ist, wenn ich nach Hause komme.«
Die Aussichten für Bremelanotid waren spektakulär. Eine groÃe Zeitschrift brachte das Präparat auf den Titel, und zwar mit der Vision seiner Wirkung mitten in Manhattan. Man sah unvermittelt stehen gebliebene Taxis und Orgien auf Motorhauben, Windschutzscheiben, Busdächern und Verkehrsinseln voraus.
Der Haken an der Sache, so erinnerte sich der Psychologe aus Maryland, war, dass nicht alle Frauen in seinem Wartezimmer jubilierten. Ein paar befanden sich auch auf der Toilette und übergaben sich. Abgesehen von den Ãbelkeitsattacken litt ein kleiner Prozentsatz auch an Bluthochdruck. Etwa auf halber Strecke des Prozederes bei der FDA und mit der Aussicht auf zig Millionen, die man noch für weitere Studien hätte aufbringen müssen, zog die Pharmafirma ihren Antrag zurück. Man wusste, dass man bei solchen Risiken niemals eine Genehmigung für ein Aphrodisiakum bekäme. Seither hat man noch eine intravenöse Version des Medikaments erprobt, die anscheinend weder Ãbelkeit noch Bluthochdruck verursacht; aber es bleibt zweifelhaft, wie viele Menschen bereit wären, sich für ihr sexuelles Verlangen selbst eine Nadel zu setzen.
AuÃerdem hatte sich die Firma noch um etwas anderes gesorgt. In der Anfangsphase von Bremelanotid, nachdem man die Geilheit der Rattenweibchen gesehen hatte, euphorische Berichte der Testerinnen eingingen und die Zeitschrift mit der Orgie auf dem Cover erschienen war, bekam es die Unternehmensführung â auch wenn sie überglücklich war â doch mit der Angst zu tun. Pfaus erinnerte sich an Meetings, in denen man befürchtete, das Medikament könnte für die FDA zu wirkungsvoll sein. Das Bild mit den Frauen, die auf dem Asphalt wie im Wahn die Beine spreizten oder sie um irgendwelche wildfremden Typen schlangen, würde sich möglicherweise bei der Behörde festsetzen und sie abschrecken. Man konnte im Nachhinein nicht sagen, ob die FDA das Schreckgespenst sexuellen Aufruhrs zur Sprache gebracht hätte, wenn sie den Antrag abschlieÃend hätte beurteilen müssen. Jedenfalls aber bemühte sich die Firma bei Wissenschaftlern wie Pfaus um Daten, die der Behörde hätten zeigen können, dass die Wirkung des Präparats »selektiv« gewesen wäre â und dass Bremelanotid-schnupfende Ehefrauen und Töchter nicht »am liebsten losziehen und sich von der erstbesten kompletten Football-Mannschaft flachlegen lassen« würden.
Das entsprach auch dem, woran sich Andrew Goldstein von seinem Einsatz für Flibanserin erinnerte. Bei den Studien dafür hatte er nicht seine übliche Rolle als AuÃen stehender eingenommen und Frauen befragt sowie das Medikament ausgegeben. Stattdessen war er als Berater von der Firma angeheuert worden, die im Besitz des Wirkstoffs war. In dieser Funktion hatte er an Strategiebesprechungen teilgenommen. »Wenn Sie mit dieser Art Medikament zur FDA kommen, geht es darum, zu vermitteln, dass Sie eine gute, aber keine zu gute Wirkung wollen«, sagte er. »Zu gut« war am Ende nicht das Problem von Flibanserin gewesen, aber er erklärte: »Die Experten im Raum diskutierten heftig darüber, dass man Frauen keinesfalls in Nymphomaninnen verwandeln wollte. Es gibt da einen Vorbehalt, einen Vorbehalt gegen â oder die Furcht davor, sexuell
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