Die Versteckte Stadt: Thriller
Betonstufen hinabführten. In die schmutzig-weiße Wand war ein eisernes Treppengeländer eingelassen. Max stellte sich neben Till und schaute hinunter. Am Fuß der Treppe war nichts außer dem Betonboden des Kellers zu sehen. Plötzlich spürte Max, wie er von hinten gestoßen wurde, war so überrascht, dass er die Arme schon zum Gesicht riss, um es vor dem entsetzlichen Aufprall zu schützen - da fühlte er, wie Till ihn am Arm festhielt. Einen Augenblick lang schien es Max, als schwebe er über dem Abgrund, dann hörte er Tills Lachen an seinem Ohr, krallte sich in den Arm des Freundes, von einer kalten Schweißschicht überzogen und ungeschickt gegen die Wand sinkend.
„Hast du wirklich geglaubt, ich schub‘s dich da runter?“
Max konnte sehen, wie Till sich freute. Er stieß sich von der Wand ab und schlug Till mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. Aber der zog nur rasch den Kopf ein, hielt sich damit nicht länger auf, sondern hatte bereits begonnen, die Treppe hinunter in den Keller zu springen.
Max hastete ihm hinterher. Unten angekommen starrten sie in einen dunklen Gang, in den sich der modrige Geruch und der schmutzige Putz der Treppe hinein fortsetzten. Till hieb auf einen Lichtschalter, der am Eingang des Gangs angebracht war und sie schritten hinein. Von dem Gang zweigten mehrere Holztüren ab, aber bald hatten sie sich einen Überblick über den Keller verschafft: Da keine der Holztüren verschlossen war, konnten sie in jeden Raum hineinschauen. Alle waren leer, bis auf einen.
Der Kellerraum, der sich direkt unterhalb des Arbeitszimmers befand, war vollständig eingerichtet. An den Wänden hingen großformatige antike Gemälde: Eine Phantasielandschaft im römischen Stil, in der ein einsamer Mönch an einem Ruinenhain verweilte. Eine Gruppe von jungen Männern, die sich im Schatten einer Weide um eine entkleidete junge Frau bemühten, ihr Wein und Speisen brachten, während sie von zwei Zofen auf einer Schaukel hin und her geschwungen wurde, deren Seile hoch oben an einem Zweig der Weide befestigt waren. Das aufwendig ausgeführte Bild einer Schlacht, auf dem im Hintergrund die Massen der Soldaten zu sehen waren, die mit gezückten Schwertern und erhobenen Lanzen aufeinander zuritten, während im Vordergrund die Feldherren, prächtig geschmückt und mit ernstem Gesicht, sich über eine Karte beugten, auf der noch einmal das Tal zu sehen war, in dem der Kampf ausgetragen wurde. Gemälde, wie Till sie nur einmal gesehen hatte, als er mit der Schule in ein Museum gegangen war, gehängt auf eine dicke Stofftapete, deren beige-rosa Muster dem ganzen Raum eine gemütliche Färbung verlieh.
Außer den Bildern befanden sich zwei schöne, antike Möbel in dem Raum: Ein Sessel, bezogen im gleichen Stoff wie die Wände, und ein kleiner Tisch mit einer silbernen Lampe. Sonst nichts. Nur ein Kamin, der die der Tür gegenüberliegende Wand dominierte und außer der Tür die einzige Öffnung in dem Raum war, da es keine Fenster gab.
Max beugte sich über den Tisch. Darauf lag eine weinrote Mappe, lose mit einem Lederband verschnürt. Ohne nachzudenken, löste er das Band und klappte die Mappe auf. Till sah ihm über die Schulter.
In dem schwachen Licht des Kellerzimmers, das wie eine Oase längst vergangener Zeiten, wie eine Studierstube aus dem 19. Jahrhundert wirkte, erschienen die Fotos, die sich in der Mappe befanden, auf den ersten Blick wie Bilder einer Phantasiewelt, in der zottlige Monster und haarige Lebewesen hinter Gitter gesperrt waren. Erst bei näherem Hinsehen erkannte Max, dass die Ungeheuer ganz normale Tiere waren, die in langen Käfigreihen untergebracht waren. Ziegen. Schafe. Hunde. Vögel. Affen. Er legte die obersten Fotos zu Seite. Darunter kamen weitere Schwarz-Weiß-Bilder von Tieren zum Vorschein: Ein Leopard, verschiedene kleine Nager, ein Igel - Tiere, die meist schlafend oder bewusstlos auf einer kleinen Liege oder einem Operationstisch lagen. Auch eine Katze war darunter, die Pfoten in alle vier Himmelsrichtungen gestreckt, der weiße Fellbauch nach oben gedreht, der Kopf zur Seite, die Augen geschlossen. Ein Hund in der gleichen Stellung. Hin und wieder war auch ein Mann in einem weißen Kittel zu erkennen, der bei dem Operationstisch stand und eines der Tiere untersuchte. Oder er hockte in einem der Käfige und blickte auf eines der Tiere herab, einen Hasen oder einen Fuchs, die wirkten, als würden sie sich von ihm weg in den äußersten Winkel ihres Käfig drücken,
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