Die Versteckte Stadt: Thriller
blutig und entsetzlich sein würde. Aber Xaver hatte darauf bestanden, hatte gemeint, dass sie gar nichts davon mitbekommen würde und er das einfach mal machen müsste. Und jetzt? Bereute er es? Wieder tauchte in Julias Geist die Erinnerung an das auf, was sie neulich in der Diele gehört hatte. Max‘ Ausruf, dass eine Frau im Gartenhaus des Vaters gewesen wäre. Was für eine Frau? Wirklich eine Botin für ein Manuskript, wie Xaver ihr gegenüber behauptet hatte? Aber Julia wagte nicht, noch einmal danach zu fragen.
„Hast du den Vogelkampf für dein Buch gebraucht?“, erkundigte sie sich stattdessen und sah, wie er nickte, die Augen noch immer geschlossen. Ein Nicken, das nichts bedeutete.
„Manchmal habe ich das Gefühl, alles falsch zu machen.“ Er schlug die Augen auf. „Als müsste ich gewisse Risiken eingehen, um nur ja weit genug hinaus zu kommen … “
„Hinaus? Wohin hinaus?“, unterbrach sie ihn.
„Aus dem Bekannten? Ins Neue. Freie.“ Er schwieg kurz, wie um ihr Gelegenheit zu geben, darauf etwas zu antworten, aber sie wartete ab. „ … Aber dann“, nahm Xaver den Faden dort wieder auf, wo sie ihn unterbrochen hatte, „kann es passieren, dass ich ganz aus den Augen verliere, was ich eigentlich erreichen wollte – und nichts anderes, als dass ich dies Risiko eingegangen bin, bleibt bestehen.“
Julia atmete aus. Redete er wirres Zeug?
„Verstehst du?“ Er blickte sie an.
„Was für Risiken denn?“
„Der Papageienkampf zum Beispiel? Ich wollte den Gästen etwas bieten, was sie noch nie gesehen hatten. Ich hatte gehört, dass so etwas gemacht wird. Es schien eine großartige Idee zu sein und es funktionierte auch. Die zwei, drei Bekannten von Felix, denen ich das zeigen wollte, waren schwer beeindruckt. Und doch, für einen Moment konnte ich überhaupt nicht mehr erkennen, wofür ich es eigentlich gemacht hatte, für einen Moment sah ich nur noch die gefiederten armen Teufel aufeinander loshacken, und da … wie soll ich sagen … brach der ganze Schwung, der mich mitgerissen hatte, der mich dazu gebracht hatte, diesen Kampf tatsächlich stattfinden zu lassen, plötzlich weg – und es blieb nichts anderes übrig, als ein entsetzliches Gemetzel zwischen eigentlich schönen Tieren, die mit irgendwelchen Chemikalien halb um den Verstand gespritzt worden waren.“
Wie hatte er jemals glauben können, dass dieser Kampf etwas anderes sein würde als ein abartiges Gemetzel? Doch gerade als Julia das einwerfen wollte, sah sie, wie Xaver sich erhob. Die eigenen Glieder schienen ihn zu Boden zu ziehen, sein Gesicht war grau vor Müdigkeit, die Augen wässrig. Er nickte ihr zu und ging aus dem Zimmer, ohne noch ein weiteres Wort zu sagen.
3
Lisa blickte auf die Karten in ihrer Hand. Die Sieben? Dann musste er zwei ziehen. Und sie würde wahrscheinlich gewinnen. Schon wieder. Lisa liebte Mau Mau, aber sie zögerte, die Karte zu spielen, die in der gegebenen Situation die richtige war.
Sie saß in einem Stuhl, den sie an Max‘ Bett geschoben hatte. Es war bereits die dritte oder vierte Runde, die sie spielten. Max war krank, seit zwei Tagen schon. Er hatte sich mehrfach übergeben, hatte Fieber. Er aß schlecht, fühlte sich schlapp – und Lisa sah es ihm an: Seine Haut sah eher grüngelb als hautfarben aus. Gestern hatte Trimborn nach ihm gesehen, etwas von Ausruhen gemurmelt, ihr Bruder hätte sich wohl ein wenig verausgabt. Der Doktor hatte ihm eine Calcium-Spritze gegeben und Max war erst recht blass geworden. Seit der Spitze lag er nur noch im Bett.
Er tat Lisa leid. Max war nie besonders robust gewesen – aber wirklich krank hatte sie ihn eigentlich noch nicht erlebt. Sie spielte eine belanglose Zwei und behielt die Sieben auf der Hand. Vielleicht war es besser, wenn er mal gewann, er war schließlich schon schwach genug.
„Mau.“ Mit leuchtenden Augen sah Max sie an, noch eine Karte auf der Hand. Lisa blickte auf den Stapel der abgeworfenen Karten. Kreuz. Hatte sie nicht. Sie zog eine.
„Mau Mau!“ Mit Schwung klatschte Max seine letzte Karte auf den Stapel. „Zwei zu zwei. Noch eins?“ Aber bevor sie antworten konnte, ließ er sich auf das Bett zurücksinken. Als habe ihn die Aufregung über den Sieg schon zu viel Kraft gekostet.
„Willst du nicht lieber mal eine Runde schlafen?“, fragte sie und sammelte die Karten ein. „Wir können doch nachher weiterspielen. Vielleicht macht dann auch Till mit.“
Er blieb liegen, sah sie nur aus seinen großen
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