Die Versteckte Stadt: Thriller
dunklen Augen an. Und nickte schließlich. „Weckst du mich in ‘ner Stunde?“
Lisa stand auf. „Bis gleich.“
Sie legte die Karten auf den Nachttisch, ging leise aus dem Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.
In der Diele zögerte sie. Seitdem Max krank geworden war, hatte sie von Till nicht viel gesehen. Auch jetzt war die Tür zu seinem Zimmer geschlossen. Aber sie wusste, dass er da drin war. Kurz entschlossen ging sie zu der Tür und öffnete sie.
Till lag auf seinem Bett, ein Buch in der Hand. Er sah auf.
„Ich war grad bei Max“, sagte sie. „Er schläft jetzt.“
Till ließ die Beine vom Bett gleiten und setzte sich auf. „Wie geht es ihm?“
Lisa ging zu dem Schreibtisch, den ihre Mutter inzwischen in Tills Zimmer hatte aufstellen lassen, und setzte sich. „Nicht besonders.“
Till knickte die Seite des Buches ein, bis zu der er gelesen hatte - Lisa schauderte, aber sie zog es vor, nichts zu sagen - und legte das Buch aufs Bett.
„Der Arzt weiß auch nicht, was er hat.“ Sie ließ Till nicht aus den Augen. Tagelang hatte er mit Max zusammengehangen, aber wenn man sie fragte, was sie machten, war nichts aus ihnen herauszuholen. Lisa beschloss, zum Angriff überzugehen.
„Ich kenne Max, seitdem ich denken kann“ – sie hörte ihre eigene Stimme, eine helle Stimme, eine Mädchenstimme, die sie gar nicht genug hätte hören können, wie ihr schien, wenn sie ein Junge wäre - „aber so habe ich ihn noch nie erlebt. Weißt du, wann das angefangen hat? Dass er so schwach ist, so unansprechbar, so verschlossen?“
Till blickte kurz auf, aber seine Augen hatten nicht die Offenheit, die Lisa sonst von ihnen kannte, und erinnerten sie eher an Tills Augen als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte - im Vorgarten, als niemand wusste, dass er weggelaufen war.
„Nee“, kam es von ihm.
„Seit du hier bei uns bist“, sagte sie und wusste, dass ihn das beunruhigen musste. Aber Lisa wollte herausbekommen, was mit ihrem Bruder war. Vielleicht hatte es ja wirklich etwas mit Tills Ankunft bei ihnen zu tun - auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, wieso.
Tills Blick war noch immer ein wenig verschleiert, die Verwunderung darin jetzt aber ehrlich. „Du meinst, ich bin schuld daran, dass er krank ist?“
„Bist du?“
Die Frage schien er nicht ohne weiteres verneinen zu können, denn statt das einfach von sich zu weisen, ließ Till den Kopf wieder hängen.
Jetzt! - schoss es Lisa durch den Kopf, sie stand auf und setzte sich neben ihn auf das Bett. „Entschuldige Till, ich will dich nicht kränken. Vielleicht ist es ja auch einfach nur Zufall, dass es ihm schlecht geht, seitdem du hier bist, aber auffällig ist es schon.“
Pause. Stille. Aus dem unteren Stockwerk hörte man Rebecca Geschirr zusammenstellen.
„Ich hab nichts gemacht“, murmelte Till. „Wir sind einfach nur rumgefahren, mit dem Rad, Max hat mir die Gegend gezeigt.“
Lisa schaute auf ihre Fußspitzen.
„Sonst weiß ich auch nicht.“
Sie sah ihn an. Er atmete aus. Und plötzlich war seine Stimme leise, ruhig. „Ich kann dir das nicht sagen, Lisa. Max würde mich … ich habe ihm versprochen, mit niemandem darüber zu reden … es … er hat sich das total zu Herzen genommen.“
„Was denn?“ Sie spürte, wie sie nervös wurde. Es stimmte also. Dass Max und Till etwas ausbrüteten. Sie hatte es gewusst! Lisa versuchte, ihre Stimme weich zu machen, weich und gurrend, eine Tonlage, auf die andere Jungen immer reagierten, indem sie stehenblieben, schluckten und lächelten. „Ich sag ihm auch nicht weiter, dass du es mir gesagt hast … “
Aber Till schüttelte den Kopf.
„Willst du, dass es ihm immer schlechter geht?“ Empörung schlich sich in ihre Stimme. Max vertraute Till, aber ihr nicht? „Max ist nicht so kräftig wie du. Dass er Papa nichts sagt, kann ich ja verstehen. Aber Mama?“ Sie sah, dass an Tills Schläfe eine Ader hervorgetreten war, fast hatte Lisa den Eindruck, das Blut in der Ader sehen zu können. „Kannst du mir nicht wenigstens sagen, warum ihr uns nicht vertraut?“
Till murmelte etwas, das sie nicht verstand.
„Was?“
Er sah sie an. Hilflos, aber ohne den Mund zu öffnen.
Lisa stand wieder auf, kehrte zu dem Schreibtisch zurück. „Findest du das besonders toll? Nachdem meine Eltern dich aufgenommen haben? Erst stellst du irgendwas mit meinem Bruder an, dass der richtig krank davon wird – und dann sagst du nicht mal, was du weißt?“
Jetzt, wo sie es so zusammengefasst
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