Die Verstoßenen (Verlorene Erinnerungen) (German Edition)
sind?!
Sie fluchte in Gedanken! Sie befand sich in der Hocke auf dem moderigen
Waldboden und blickte nach unten auf die lehmige feuchte Erde. Dann spürte sie
warmen Atem im Nacken. Es war soweit!
Langsam drehte sie sich, noch immer in der Hocke bleibend, um und hob
ihren Phantomblick, bis sie dem gewaltigen Tier in die Augen hätte blicken
können. Der eisige, tote Blick ihrer kristallblauen Augen bohrte sich in die
des Tieres. Sie hoffte innig, dass ihr Plan aufging, denn sonst würde es kein
schönes Ende mit ihr nehmen, aber wenn die Wölfe schon damals, in dieser einen
Nacht, nicht auf sie los gegangen waren, sondern sie verschont hatten, warum
sollten sie jetzt angreifen?
Sie hielt ihre wunderschönen klaren Augen, umrahmt von den dichten
schwarzen Wimpern, auf denen des Wolfes.
Nicht bewegen, sagte sie sich innerlich , Oh Gott! Nicht
bewegen!
Eine kühle Berührung, die feuchte Schnauze einer dieser Bestien war
gegen ihre flache Hand gelehnt. Doch vielleicht waren es wirklich keine
Bestien? Wölfe essen keine Menschen, das war ihr klar. Auch wenn diese Wölfe
anders waren, so aßen sie bestimmt trotzdem nicht ohne weiteres
Menschenfleisch, es sei denn, man richtete sie darauf ab, manipulierte sie,
oder machte sonst was, jedenfalls wurde ihr nun langsam klar, dass viel mehr
dahinter steckte, als sie vielleicht bis jetzt erfasst hatte. Wenn man ihr
schon die Fallen stellte, warum sollte man dann nicht auch die Wölfe auf sie
abrichten?
Und ihr dämmerte so langsam, dass diese Wölfe nicht ihre Feinde waren,
nein, sie waren nur die, die die Grausamkeit auferlegt bekommen hatten. Ja, die
Wölfe waren nicht ihr Feind, das Dorf war ihr Feind. Mit diesem Wissen und
neuem Mut, machte sich sofort eine neue Erkenntnis in ihrem Kopf breit.
Ich werde beobachtet.
Schon die ganze Zeit spürte sie diese Blicke auf sich, diese vorbeihuschenden
Schatten im Nebel. Alles ergab Sinn! Schließlich wollte man ja wissen, wie ihre
Falle so anschlug.
Nicht mit mir!
Sagte sie sich stark und selbstbewusst wie noch nie in ihrem Kopf.
Nicht mit mir!
Sie hatte fast Mitleid mit den Wölfen, die so erbarmungslos ausgenutzt
wurden, doch es waren immer noch zu grausame Erinnerungen, um ganz die Furcht und
Abscheu vor ihnen zu verlieren.
Mutig hob sie den Finger und presste ihn auf die kalte Schnauze. Sie
war so ängstlich und verzweifelt und doch wollte sie diese Bestien berühren.
Zitternd spürte sie die kühle Nässe der Schnauze.
Oh, verdammt, verdammt.
Zu nah, zu nah, zu nah, viel zu nah! Die Berührung stieß sie ab,
verbitterte sie und erfüllte sie mit einer Angst, wie sie sie noch nie in ihrem
Leben gespürt hatte. Und doch konnte sie sich einfach nicht lösen.
Oh, Scheiße, verdammt! Lauft einfach weg, lauft weg, lauft weg,
lauft weeeg! hämmerte ihre eigene Stimme in ihrem Kopf. Ihre innere Stimme schrie zu den
Bestien.
Laaaauft weeeeeeg!
Da passierte es. Das Unfassbare spielte sich ab.
Auf welchen Wegen auch immer, aber sie wurde verstanden. Die Schnauze
löste sich. Die kühle Luft peitschte gegen sie. Sie zitterte heftig, biss sich
die Lippe blutig vor blanker Angst. Doch nichts, kein Angriff, kein Tod.
Was hier auch immer passierte, war nicht im Geringsten logisch oder
nachvollziehbar. Wie sollte es das auch sein? Sie war ein blindes Mädchen in
einem barbarischen Dorf in der Wildnis, in der anscheinend vor hunderten von
Jahren die Zeit stehen geblieben ist und wurde eben von gigantischen Wölfen
umzingelt, die nichts anderes lieber täten als sie in ihre Einzelteile zu
erlegen und jedes Stück von ihrem Körper runter zu schlingen wie Fast Food. Was
war das für eine Welt…? Was war das für ein Leben…?
War es Glück oder war es Schicksal?
Es war ihr im Grunde egal, sie wurde gerettet, wie auch immer das
möglich war. Die zotteligen Riesen warfen ihre Köpfe in die Höhe und heulten
einmal laut auf, die Rufe der Tiere durchdrangen den ganzen Wald. Der eine von
ihnen löste seine Berührung um ihr dann einmal sanft an die Wange zu stupsen
und jaulte dann auch.
Dann preschte die Gruppe davon, auf dem Weg in die Ferne, frei, gelöst
von Manipulation. Sie waren, wie Ceela vielleicht eines Tages erfahren würde,
auf dem Weg in die Berge zu den alten Stämmen ihrer Rasse, den starken
prachtvollen Silberwölfen, die in den Höhlen im hohen Norden des Waldes lebten…
Sie schnappte nach Luft, fühlte sich auf einmal schwach. Doch dann
überwältigte sie ein Gefühl purer Lebensfreude, sie hatte überlebt,
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