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Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Verstummten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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paar Tagen hätte ich es bestimmt gemerkt, aber bei dem Trubel zurzeit … «
    »Ich hab’s gelesen. Es hat mir sehr gut gefallen, dass das Buch nach dem grünen Fußbodenbelag im Todestrakt benannt ist. The Green Mile, die Strecke bis zum elektrischen Stuhl.« Gloria hatte lange darüber nachgedacht. Die Journalistin konnte womöglich die Wahrheit veröffentlichen, ohne dass sie selbst in Erscheinung treten musste. »Grün wie die Hoffnung.« Sie reichte ihr das Buch. »Ich habe eine Notiz reingelegt. Wenn Sie mögen, lesen Sie sie, irgendwann.«

14.
    Wie war ihr Vater nur so schnell davongehumpelt? Carina erwischte ihn auch an der Sicherheitstür zum Institut nicht mehr.
    »Frau Dr. Kyreleis?« Frau Schauer wedelte mit einem Kugelschreiber, als sie am Sekretariat vorbeiging. »Können Sie bitte Ihr abgetipptes Gutachten überprüfen, damit ich es weiterschicken kann? Ich habe es in Ihr Fach gelegt.«
    Carina trat durch die Tür in das enge Büro. »Was ist Ihnen denn passiert?« Dick umwickelte Waden lugten unter dem Schreibtisch hervor. Die Sekretärin hatte sich trotzdem in hochhackige Pumps gezwängt.
    »Gestern habe ich mir die Besenreißer veröden lassen.«
    »Ist das schmerzhaft?«
    »Es geht.« Sie deutete auf den Schädel, den Carina wie einen Fußball unter den Arm geklemmt trug. »Der oder die hat diese Probleme jedenfalls nicht mehr.«
    »Calvarium Masculum Europae.« Carina drehte ihn gegen das Licht.
    »Kalva wie Kalvarienberg? Heißt der so, oder sind das die Namen der Vorbesitzer?«
    Carina lachte. »Das bedeutet, dass es der Kopf eines männlichen Europäers ist.« Weder innen noch außen stand etwas. Keine verblasste Gravur, kein Aufkleber mit in Tusche gezogener altertümlicher Schrift, wie die anderen auf dem Regal, die sie inspiziert hatte. Auch keine Klebestelle, die auf einen abgerissenen Zettel hindeutete. »Woher stammen eigentlich die Schädel? Ich meine, sind die registriert?«
    Frau Schauer zuckte mit den Achseln. »Bestimmt, in irgendeiner der Mappen.« Sie deutete hinter sich, in den Aktenraum. Dann beugte sie sich vor und flüsterte: »Da treffen Sie einen wunden Punkt. In den Asservaten gehört dringend mal Ordnung geschafft. Das meiste wird nach anderthalb Jahren vernichtet, aber die Schädel … « Sie rieb sich mit dem Kugelschreiber die Schläfe. »Meistens sind es Geschenke, die weitergereicht werden, das notiert dann auch keiner.«
    »Wie die obligatorischen Rotweinflaschen an Weihnachten?«
    Frau Schauer grinste. »So ungefähr. Was soll der Direktor eines Museums einer Professorin für Rechtsmedizin wohl anderes schenken?«
    Carina fischte sich den Gutachten-Umschlag aus dem Fach mit ihrem Namen. »Brauchen Sie was zum Hochlagern der Beine?«
    »Danke, nein, ich wollte sowieso gerade Feierabend machen. Sie nicht auch?«
    »Doch, schon. Ich bringe nur den Kandidaten hier zurück.«
    Bevor der Schädel noch einmal vom Regal fiel, nahm sie ihn lieber mit in ihren Arbeitsraum. Als Carina im Keller auf den Lichtschalter drückte und ihr Zimmer aufsperrte, glaubte sie einen Moment, auch hier wäre der Strom ausgefallen. Die Neonröhren flackerten, leuchteten aber dann wie immer. Sie atmete auf. Der ganze Tag war völlig anders verlaufen als geplant. Erst ein Geisterfahrer, der verhinderte, dass sie ihren Vater endlich zur Rede stellen konnte, dann ein Doppelmord. Sie suchte einen freien Platz für den Schädel, zwängte sich an einem kaputten Faxgerät vorbei hinter den Kartenständer. Im mittleren Fach des alten Apothekerschranks voller eingetrockneter Drogen in braunen Gläsern standen tatsächlich Weinflaschen, sogar noch mit Schleifen und Kärtchen daran. Sie schob sie etwas zusammen und stellte den Schädel dazu. Längst hatte sie alles ausräumen wollen, was im Institut ausrangiert worden war und sich über die Jahre hier angesammelt hatte, bevor Feininger ihr diesen Raum und die kleine ehemalige Röntgenkammer nebendran zuteilte. Nur den großen Seziertisch aus Holz, den Carina unter all den Sachen entdeckt hatte, wollte sie behalten. Sie hatte die alten Krusten abgekratzt und benutzte ihn als Schreibtisch. Durch die Einbuchtungen an den Längsseiten hatten sich die Anatomen von einst einen leichteren Zugang zur Brust- und Bauchhöhle der Leiche verschafft. Die ringsum mit Leisten eingefasste Tischplatte senkte sich zur Mitte leicht ab, sternförmige Rillen liefen zu einem Loch. Zum halbjährigen Einstand hatte ihr Nusser eine Glasscheibe zwischen den Tischleisten

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