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Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Verstummten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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nach einer Perle, und zog dann ganz langsam etwas filigranes Weißes heraus. Das Skelett einer Ratte mit langem Schwanz und Nagezähnen. Er streifte die letzten Käfer ab wie Wassertropfen und strahlte Carina an, als hätte er einen Miniatur-Säbelzahntiger geborgen. »Das geht schneller und gründlicher als mit unserem Mazerierkessel. Halt mal.« Er legte ihr das Skelett auf die Handflächen und holte vorsichtig einen Käfer aus seinem Ärmel, der es in Windeseile bis in seine Achsel geschafft hatte. »Na, eigentlich müsste der doch satt sein.« Liebevoll setzte er das Einzentimetertierchen zurück zu den anderen. »In Uruguay am Ufer des Río de la Plata haben sie vor ein paar Jahren den Schädel einer Riesenratte gefunden, die muss größer als ein Stier gewesen sein, hast du davon gehört?«
    »Du meinst, weil ich eh schon auf dem Kontinent war?« Sie lachte. »Tut mir leid, ich bin bloß bis Südmexiko gekommen.«
    »Eine Tonne soll das Urtier gewogen haben, riesige Nagezähne, nicht so kleine wie die hier.« Er drehte das Skelett ins Licht und streichelte die Knöchelchen. »Allerdings war sie Vegetarier, wie du.« Er legte die Ratte in eine glitzernde Schachtel, die im Regal zwischen den mit »Gehirn – Professor Diepel« und »Herz – Professor Feininger« beschrifteten Gläsern stand, die die leitenden Obduzenten bei der jeweiligen Organentnahme gewesen waren.
    »Ein Geschenk?«, fragte Carina. Sie dachte an Clemens und seine Mäusephobie, vielleicht würde ihn so was wie das hier kurieren.
    Nusser wurde über beide Ohren rot und kratzte sich am Kinnbart. »Vor ein paar Wochen hab ich jemanden kennengelernt, er hat morgen seinen Fünfzigsten.«
    Carina hatte bisher noch nie darüber nachgedacht, ob der Präparator auf Frauen oder Männer stand, aber nun war das geklärt. »Das ist aber ein einmaliges Geschenk.«
    »Findest du?« Er atmete auf.
    Sie räusperte sich. »Weißt du, woher der hier stammt?« Sie gab ihm den Schädel.
    Nusser drehte ihn im Licht und musterte ihn. »Oha, ein neuer Mieter. Nein, der hat sich bei mir noch nicht vorgestellt.« Er gab ihn Carina zurück und spannte ein Gazetuch über das Käferglas.
    »Aber irgendwie muss er doch hier reingekommen sein.«
    »Gekommen? Du meinst wohl gerollt?« Nusser grinste und entblößte seine Goldkronen.
    »Könnte einer der Studenten den Schädel mitgebracht haben?«
    »Das wäre mir aufgefallen, die haben doch meist nur Pfefferminzbonbons und Kampfersalbe in ihren Kitteltaschen, ein Schädel war bisher nicht dabei.«
    »Wenn ihn jemand sucht, er ist bei mir, ja?«
    »Wenn da mal der Tierarzt nicht eifersüchtig wird.«
    Er zwinkerte ihr zu. Also nicht nur der Geliebte der Professorin war Gesprächsthema, sondern auch Clemens und Carina.
    »Warte mal.« Nusser hielt sie zurück. »Kann ich den Aasis den neuen Kopf von dem Ehemann zum Abfressen geben?
    »Auf keinen Fall! Die Leichen sollen vollständig bleiben.«
    »Schade.« Er schmollte. »Ich hätte so gern ein Schusskanalpräparat für die Vitrine gehabt.«

16.
    Neben ihren Ohren raschelte es. Ein leises Schmatzen, dann wischte ihr etwas Weiches übers Gesicht. Sie wollte danach greifen, langte ins Nichts und erwachte. Etwas bohrte in ihre Knöchel. Sie wagte nicht, die Bettdecke zu heben und hinzusehen. Als sie nach der Trinkflasche auf dem Nachtkästchen tastete, erwischte sie die Kekspackung. Hunger hatte sie keinen, nur Durst. Die Flasche fiel um, sie fing sie gerade noch auf, bevor sie hinunterrollte. Ihre Kehle fühlte sich wie aus Papier an, aus Zeitungspapier, das alles Flüssige aufsaugte und laut Frau Velic auch die Fenster streifenfrei machte. Sie trank einen Schluck. Erdbeergeschmack. Dabei musste sie an Omas Garten denken. Die Tränen liefen ihr in die Ohren, so als wären sie sofort angesprungen, kaum dass sie zu trinken begonnen hatte. Vielleicht würde sie sich gleich in sich selbst auflösen, wie ein Bonbon, das kleiner und kleiner wurde. Nach einer Weile ließ der Schmerz nach, und sie traute sich, mit den Zehen zu wackeln. Die Knie konnte sie anziehen, aber die Füße nicht öffnen, ihre Fersen klebten zusammen. Sie griff wieder nach der Flasche, saugte noch ein paar weitere Schluck Flüssigkeit heraus. Nach einer Weile spürte sie sich nicht mehr. Langsam schwappte eine Leuchtwelle über sie hinweg und hüllte sie ein.
    Sie war doch noch angekommen. Durch das rostige Gartentor zwischen den gemauerten Pfeilern hindurch. Am versteinerten Hund, von Wicken umrankt, und an

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