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Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Verstummten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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könne er überhaupt in den Schlaf finden, aber um des Familienfriedens willen begnügte er sich schließlich mit einigen wenigen, die er an die Seitenwand des Kleiderschranks klebte, damit sie von der Tür und von Silvias Bettseite aus nicht sofort gesehen werden konnten.
    Der Schreibtisch war weg, in der Ecke stapelten sich jetzt Stillkissen auf einem Gebärhocker. Auch war nur Silvias Seite des Ehebetts bezogen. So stand es also um die Ehe ihrer einstigen Erziehungsberechtigten, dachte Carina. Aber wenigstens hatte ihr Vater aufgehört, die Fälle mit nach Hause zu nehmen, zumindest das hatte Silvia durch ihre jahrzehntelangen Beschwerden erreicht. Oder vielleicht vertrugen sich ein Hüftkranker und eine Nasengeschädigte im Schlaf einfach nicht und brauchten getrennte Betten. Ob ihr Vater auf dem Sofa im Wohnzimmer kampierte? Wenn ja, war es kein Wunder, dass ihm alles wehtat. Blieb noch das frühere Kinderzimmer, das seit Wandas Auszug in ein Gästezimmer verwandelt worden war. Sandro übernachtete manchmal darin, wenn Wanda ausging, oder auch mal die ein oder andere Schwangere, der Silvia Unterschlupf gewährte. In Wandas und ihrem gemeinsamen ehemaligen Kinderzimmerschrank, der ständig umgestrichen und zuletzt rostrot geblieben war, würde das Familiengeheimnis kaum begraben liegen. Oder doch? Carina erinnerte sich nicht mehr, wann sie zuletzt in dem Zimmer gewesen war. Vielleicht hatte ihre richtige Mutter ihr irgendein Babyspielzeug geschenkt, und es lag dort wie ein vergessener Exot, zwischen Sandros beweglichen Muskelmännern, Wandas gehäkelten Muffins und den Mappen mit Carinas Kinderzeichnungen, die Silvia dort verwahrte. Sie verharrte in der Tür. Vom Rostrot war nichts mehr zu sehen, der Schrank war mit Fotos und Zeitungsausschnitten tapeziert, die sich über die Wand bis zum Schreibtisch zogen. Ein paar Schlagzeilen stachen Carina ins Auge:
    BKA-Beamter ermordet Geliebte und versenkt sie in der Isar
    Schießerei in Feldafinger Villa, Polizist schwer verletzt
    Kripo-Beamter angeschossen
    »Unser Matte« außer Lebensgefahr!
    Mordprozess: BKA-Beamter doch vor Münchner Gericht
    Alles zum Mordversuch an ihrem Vater, dazu die Berichte zum bevorstehenden Krallinger-Prozess. Auf einem alten Gruppenfoto der Münchner Kriminalpolizei stand Kurt Krallinger mit seinem leuchtenden Feuermal neben Matte: der Wenn-wir-Kurti, wie ihr Vater seinen Ex-Kollegen nannte. Es gab ein Bild mit dem angeblich panzergesicherten, dann aber doch zerstörten Mercedes des Bankmanagers Alfred Herrhausen und einige Artikel über die gesichtslose dritte Generation der RAF . Dazwischen Abbildungen einer halb fertigen und schließlich neu eröffneten Brücke, die Carina nicht kannte. Wie eine Bildergeschichte reihten sich auf den Schranktüren die nummerierten Erkenntnisse der Spurensicherung aus der Feldafinger Villa aneinander, in der ihr Vater angeschossen worden war. Nummer eins, die Einschusslöcher in der Wand, Nummer vier, sein eigenes Blut auf dem Fußboden. Wie ertrug er es nur, das anzusehen? Sogar auf dem zerwühlten Bett, auf dem sein Schlafanzug lag, häuften sich Akten.
    Carina wandte sich ab und warf einen letzten Blick zurück ins Wohnzimmer. Es wirkte, als hätte ein Erdbeben alles aus den Schränken geschüttelt. Sie holte ihre Tasche aus der Küche. Ihr Vater telefonierte noch immer, drückte sich sogar das freie Ohr zu, damit er nicht belästigt wurde. Keine Sekunde länger hielt sie es hier aus.

18.
    Neumaising, Mai 1992
    Die Farbe der weinroten Fensterläden am Schwedenhäuschen, wie sie das Wochenendhäuschen mitten im Wald nannten, war mit den Jahren abgeblättert. So hatte es sich fast vollständig in die Umgebung eingepasst und war vom Fahrweg aus, durch die Fichten, schwer auszumachen. Der perfekte Treffpunkt für eine Agententruppe, dachte Iris, als sie von drinnen durch das Dickicht der Bäume den Hang hinunterspähte. Auch der Trampelpfad hier herauf war kaum zu entdecken. Zwischen wilden Erdbeeren im Frühjahr, Schwammerlgeruch im Herbst und Fuchsspuren im Winter, nur wenige Kilometer Luftlinie vom BND -Standort Bayern entfernt, planten sie die Attentate, die ihnen Das Geld in Auftrag gab. So hatte es Calimero bezeichnet. Keiner von ihnen wusste, wer die Auftraggeber waren, die am Anfang der Kette standen und die Befehle erteilten. Sie bekamen Geld fürs Töten, und Das Geld diktierte es, so einfach war das. Und alles diente dem wohltätigen Zweck, die Demokratie zu schützen. Im Grunde waren sie

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