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Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Verstummten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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Toten sein Gesicht zurückgab, würde sie das von Grübeleien abhalten. Noch verbargen die Knochen das menschliche Antlitz, aber sie würde es sichtbar machen.
    »Verrat mir deine Augenfarbe.« Aus ihrer Vorratsschachtel mit den Glasaugen wählte sie ein hellbraunes Paar, eine unauffällige Farbe. Was sie nicht hundertprozentig wusste, lenkte nur vom Gesamteindruck ab und erschwerte die Identifizierung. Auch die Nasenform würde sie erraten müssen, denn der schmale Steg bis zur Nasenspitze fehlte, wie meistens bei Totenschädeln. Sie wärmte das Plastilin in den Händen, knetete es zu einer Kugel und platzierte das linke Auge in der Augenhöhle.
    Die Glasmanufaktur hatte ein Paar mit mehr roten Äderchen und gelblichem Augenweiß versehen als die anderen. Dieses passte zu Oskar. »Vielleicht hast du Leberprobleme gehabt, aber ich hoffe, dass du nicht im Suff gestorben bist.«
    Als sie zurücktrat, um ihr Werk aus größerem Abstand zu betrachten, stieß sie gegen etwas Großes, Weiches.
    »Hoppla. Wen hat’s im Suff erwischt?« Professor Feininger stand hinter ihr und fing sie ab.
    »Oh, ich hab Sie gar nicht reinkommen hören.« Wie lange stand ihre Chefin wohl schon im Grätschstand zwischen den alten Geräten und hörte ihren Selbstgesprächen zu?
    »Ich habe sogar geklopft«, erwiderte Feininger. »Aber Sie und der Starnberger … «
    »Der Starnberger?«, unterbrach Carina. »Wissen Sie etwa, woher der Schädel stammt?«
    Feininger verhakte sich mit einem Zipfel ihrer Bluse im Kartenständer und riss die beschädigte Abbildung des Verdauungstrakts endgültig ab, als sie sich auf Carinas Schreibtischstuhl niederließ. »Die Starnberger Polizei hat ihn geschickt. Er ist wohl im Archiv eingestaubt und, als dort jemand aufgeräumt hat, in einer Schachtel entdeckt worden. Hier, das lag dabei.« Aus einem Briefumschlag zog sie einen kleinen handschriftlichen Zettel und reichte ihn ihr. »27. 8.2003 , Imker Lorenz Waasberger, Neumaising«, las Carina laut die rote Buntstiftschrift vor.
    Lorenz, nicht Oskar, dachte Carina. »Dann ist der Schädel bereits identifiziert?« Auch wenn sie ein Gesicht jederzeit zu bloßen Übungszwecken rekonstruieren konnte, war es nicht dasselbe, als wenn sie einem unbekannten Toten die Identität zurückgab.
    Feininger schien ihre Enttäuschung zu bemerken. Der Hauch eines Lächelns dehnte ihre Mundwinkel. »Waasberger ist nur der Name von dem, der den Schädel gefunden hat. Ich habe das Teil am Donnerstagabend ausgepackt, es schnell ins Regal gelegt und dann auf dem Weg in die Tierklinik vergessen.«
    Ihr Parfüm war das also, deshalb war der Geruch Carina bekannt vorgekommen. »Dann wurde nie nach der Herkunft geforscht? Ein Toter ohne Kopf, so was fällt doch auf.«
    Feininger hob die Schultern. »Es gab einige Personalwechsel bei der dortigen Polizei, schreiben sie, und im Landkreis rennt keiner kopflos herum, so viel ist klar. Aber nun ist er ja bei Ihnen in den besten Händen. Strengen Sie sich an, vielleicht ist es jemand aus der Schickeria, und wir kriegen die Medienpräsenz, die wir so dringend brauchen.«
    Ein offizieller Auftrag! Carina hüpfte innerlich auf und ab. »Wie geht es denn Ihrer Peggy?«, fragte sie im Eifer der Freude.
    Feininger schwieg, ihre Mundwinkel zuckten. Carina trat einen Schritt auf sie zu, wollte irgendetwas Tröstendes sagen, doch gerade in dem Moment hievte sich die Professorin wieder hoch. Der Stuhl rollte zur Seite und krachte an den Apothekerschrank. Carina fing ihn ab, bevor die Glastür zu Bruch ging.
    »Machen Sie weiter, geben Sie Ihr Bestes, und klären Sie die Identität des Schädels.« Feininger wischte sich mit dem Blusenärmel über die Augen. »Aber erst mal fahren Sie ins Präsidium, man hat mich um Ihre Unterstützung gebeten.«
    »Mich?« Ihr Vater verlangte jetzt doch ihre Mithilfe? Sie konnte es nicht glauben.
    Ihre Chefin nickte. »Na ja, jetzt tun Sie doch nicht so, als ob es das erste Mal wäre. Es geht um das Loos-Mädchen; Sie waren ja als Erste am Tatort.« Feininger wandte sich zur Tür, drehte sich aber noch einmal um mit Blick auf Carinas Füße. »Und bei nächster Gelegenheit verraten Sie mir, wo Sie diese extravaganten Schuhe herhaben.«
    Carina biss sich auf die Zunge. Noch immer trug sie Olivias Eigentum, kein Wunder, dass der Professorin als Etymologin die Insekten darauf gefielen.
    »Aber nun los, was zögern Sie noch, Ihr Elsterblick wird verlangt.«

30.
    Ihre Füße ruhig zu halten war schwierig, es kribbelte und

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