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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
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Und darauf ging sie zum Fenster und tat, als wolle sie hinaussehen, aber ich sah, dass sie weinte. Ich bin davon überzeugt, dass sie ihn sehr gerne heiraten würde. Ich weiß nur nicht, warum der Gedanke an ihn sie so unglücklich macht. Sie hat immer davon geträumt, einmal einen Graf oder einen Baron zu heiraten ...“
    „Wirklich?“, fragte Hamilton zerstreut.
    „Ja, sie möchte einen Mann von Rang, mit Vermögen und guten Manieren. Und natürlich soll er sie über alles lieben … und Graf Zedwitz könnte ihr das alles bieten.“
    „Da haben Sie völlig recht“, sagte Hamilton. „Und nun wird es Zeit, dass ich gehe ...“
    „Aber Sie werden doch wiederkommen? Sie werden sich doch noch von Xaver verabschieden?“
    Hamilton schüttelte den Kopf.
    „Und Sie gehen wirklich für immer?“, fragte Sophie und ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Isabelle hat gesagt, dass wir nie wieder von Ihnen hören werden ...“
    „Hat sie das?“
    „Wenn Xaver zuhause wäre, wären Sie sicher noch etwas länger geblieben. Ich wünschte, er wäre heute nicht ins Wirtshaus gegangen.“
    Hamilton war es mehr als recht, dass der Major nicht da war, aber das sagte er nicht. Nachdem er sich wesentlich ausgiebiger und liebevoller von ihr verabschiedet hatte, als er es bei ihrer Schwester gewagt hatte, verließ er eilig das Haus.   
     
    Hamilton verließ München am nächsten Tag mit der Eilkutsche nach Frankfurt. Er hatte sich den Platz neben dem Fahrer im vorderen Teil der Kutsche gesichert, der oben offen war, so dass man dort ungestört rauchen konnte. Vor seiner Abreise hatte er noch einmal kurz mit Sophie gesprochen, und dieses Gespräch beschäftigte ihn noch immer, weil es in ihm neue Zweifel und Befürchtungen geweckt hatte. Ganz gegen seine sonstige Gewohnheit interessierte er sich nicht die Bohne für andere Reisende, mit denen er teilweise zwei volle Tage dahinfahren würde, er fragte weder nach Namen noch nach Berufen, und niemand widersprach einem Studenten, der, als er in Würzburg ausstieg, mit einem Blick auf Hamilton sagte: „Der ungeselligste Kerl, der mir je begegnet ist! Ein echter Engländer!“
    An jeder Station ging er ruhelos auf und ab, bis die Kutsche wieder zur Abfahrt bereit war, sank dann erneut auf seinen Sitz, und schlief schließlich ein. Als er erwachte, war es finstere Nacht. Kurz darauf rief der Fahrer: „Halt! Wer steigt in Aschaffenburg aus?“
    Ein Passagier von hinten meldete sich und Hamilton fragte rasch: „Gibt es hier ein gutes Hotel?“
    „Ein sehr gutes.“
    „Dann lassen Sie mich auch aussteigen! Meine Füße sind eingeschlafen und mein Rücken tut weh. Hör zu, Johann, du kannst nach Frankfurt weiterfahren und mir im Englischen Hof ein Zimmer reservieren. Gib mir schnell meinen Reisesack und meine Toilettentasche.“
    Erleichtert kletterte Hamilton aus der Kutsche, als ein Mann mit einer Laterne zu ihm trat und seinen Pass verlangte.
    „Meinen Pass? Bitte!“ Und in Richtung der abfahrenden Kutsche rief er: „Ich werde morgen Mittag in Frankfurt sein, Johann!“
    Hamilton hatte kaum seinen Pass abgegeben, als der Mann mit der Laterne in einem nahe gelegenen Haus verschwand.
    „Das ist wirklich phänomenal“, sagte er ironisch, „ich habe keine Ahnung, wo dieses Hotel liegt oder wo es heißt.“
    „Ich habe einen Karren für Ihr Gepäck, mein Herr“, sagte eine Stimme neben ihm. In einiger Entfernung konnte er außerdem eine Gestalt zwischen Koffern und Schachteln ausmachen.
    „Können Sie mir den Weg zum besten Hotel in Augsburg zeigen?“, fragte Hamilton.
    „Natürlich kann ich das, mein Herr“, antwortete der Mann und hievte sein Gepäck auf den Karren. „Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich auch noch die Sachen der Dame mitnehmen.“
    „Tun Sie das“, sagte Hamilton, der sah, wie sich die kleine Gestalt jetzt in Bewegung setzte.
    „Ich danke Ihnen vielmals“, flüsterte die Dame und nahm augenblicklich seinen angebotenen Arm.
    Sie folgten einige Minuten schweigend dem Mann mit dem Karren, der pfeifend die dunkle Straße entlang schritt. Auch im Schein einer trüben Straßenlaterne konnte Hamilton von seiner Begleiterin nicht mehr erspähen als einen dunklen Hut und einen schwarzen Schleier.   
    „Sie erkennen mich nicht, nicht war?“, sagte die Dame plötzlich mit einer Stimme, die Hamilton sehr bekannt vorkam. Als er stehen blieb, schlug sie den Schleier zurück – es war Isabelle! Es fehlte nicht viel und er hätte sie an sich gezogen und

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