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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
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gehört habe und deshalb auf eine bessere Gelegenheit hoffen musste. Also blieb er in seinem Versteck und wartete, wohl eine halbe Stunde lang. Einmal hörte er ein raschelndes Geräusch aus der Ecke, wo allerlei Gerümpel herumlag. „Ratten“, murmelte er, nahm einen Rechen, der neben dem Fass stand, und warf ihn in Richtung des Gerümpels. Darauf war alles wieder still. Es war inzwischen so dunkel geworden, dass er hinter dem Fass hervortreten und sich direkt neben die Treppe stellen konnte. Endlich konnte er Sophie oben im Gang erkennen.
    „Ich bin hier, keine Angst, es ist niemand in der Nähe“, rief er leise.
    „Ich – ich bin nur gekommen, um … um Ihnen zu sagen, dass … dass ich nicht kommen kann.“
    Hamilton biss sich auf die Lippen, um nicht zu lachen.
    „Würden Sie mir wenigstens sagen, warum?“
    Sie stieg zögernd einige Stufen hinab.
    „Nun, warum?“
    „Weil – weil ich Angst habe. Ich fürchte mich im Dunklen.“
    „Aber im Kreuzgang ist es nicht dunkel, wir haben fast Vollmond. Kommen Sie!“ „Aber wir könnten uns morgen im Garten sehen ...“
    „Sie müssen näher kommen, ich kann Sie kaum verstehen ...“
    „Morgen früh im Garten“, flüsterte sie, während sie noch einige Stufen hinabstieg.
    Hamilton zog es vor, darauf nicht einzugehen. Stattdessen sagte er vorwurfsvoll: „Ich habe fast eine Stunde auf Sie gewartet.“
    „Es ging nicht früher, Isabelle ist eben erst eingeschlafen.“
    „Wir können nicht hierbleiben, hier könnte uns jemand sehen, kommen Sie!“, flüsterte er und nahm ihren Arm.
    „Ich kann nicht – ich kann wirklich nicht … Morgen früh vor dem Frühstück, wenn Sie wollen, aber nicht jetzt! Ich muss gehen!“
    Hamilton zögerte, aber er war sich sicher, dass es ihm morgen früh nicht gelingen würde, sie allein anzutreffen. Ihm kam der Gedanke, er könnte sie einfach hochheben und davontragen, aber das erschien ihm dann doch etwas zu gewagt. Deshalb begnügte er sich damit, ihre Hände festzuhalten, um ihre Flucht zu verhindern, und vorwurfsvoll zu sagen: „Nachdem ich hier eine volle Stunde gewartet habe, nur um Sie zu treffen, wollen Sie mich einfach so stehen lassen? Es passiert Ihnen doch nichts. Alle liegen im Bett, im Kreuzgang wird uns niemand begegnen. Geben Sie mir nur fünf Minuten, um ungestört mit Ihnen zu sprechen.“  
    Während er sprach, zog er sie langsam vorwärts durch den Gang, und wenig später standen sie im Innenhof, der im fahlen Mondschein einen unwirklichen Eindruck machte. Hamilton zog Sophie zu einer Bank in der Nähe des Denkmals für den Gründer der Abtei, Graf Aribo, und wartete, ob sie etwas sagen würde. Sie saß jedoch nur schweigend da und blickte zu Boden, als gäbe es dort etwas ungemein Interessantes zu entdecken.
    Schließlich sagte Hamilton leise und mit einiger Ungeduld: „Wir haben nicht viel Zeit, also sagen Sie mir einfach ohne längere Vorrede, was passiert ist.“
    Sophie seufzte tief, blieb jedoch stumm.
    „Um Himmels willen, sagen Sie mir endlich, was mit Ihnen los ist.“
    „Ich bin sehr unglücklich“, flüsterte sie.
    „Das sehe ich seit Tagen – aber warum?“
    „Weil – weil ich heiraten muss.“
    „Sie müssen heiraten? Wen denn?“
    „Major Stutzenbacher.“
    „Den Major – das ist nun wirklich überraschend. Sie kennen ihn doch erst seit einer Woche. Warum diese Eile? Vor meiner Abreise schien er sich eher für Isabelle zu interessieren.“
    „Oh natürlich, er hätte sich auch viel lieber mit Isabelle verlobt, sie ist ja viel hübscher als ich. Aber sie wollte ihn nicht nehmen, er gefällt ihr überhaupt nicht.“
    „Ich bewundere Ihre Aufrichtigkeit“, sagte Hamilton.
    „Ja, und als er seinen Antrag wiederholte, da wurde sie wütend und hat ihn geohrfeigt.“
    „Sie hat ihn geohrfeigt?“
    „Ja, als er ihre Hand küssen wollte, jedenfalls behauptet er das, und Isabelle sagt, sie könne sich nicht genau erinnern, aber es könne sein, weil sie so wütend war und er ihre Hand einfach nicht loslassen wollte. Da hat er der Mama gesagt, dass er sie auf keinen Fall heiraten würde, selbst wenn sie das schönste Mädchen in ganz Bayern wäre und eine Gräfin von der Dings.“
    „Ihre Schwester scheint leicht reizbar zu sein.“
    „Reizbar? Ja, sie kann schon manchmal aufbrausen, aber sie beruhigt sich auch sehr schnell wieder, eigentlich ist sie sehr umgänglich. Sie hat viele gute Eigenschaften. Niemand kennt sie so gut wie ich, nicht einmal der Papa, der sehr viel von ihr

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