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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
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Weg gehen.“
    „Das kann ich Ihnen nicht sagen! Sie werden vielleicht hören – aber Sie werden es nicht verstehen, warum wir … also ich meine … ich wollte sagen, warum ich mich nicht weigern kann. Ich … ich kann es Ihnen nicht sagen“, rief sie, während sie in Tränen ausbrach und so schnell weiterging, dass sie beinahe ihre Schwester und Zedwitz erreicht hätte, ehe Hamilton ihr zuflüstern konnte: „Heute Abend, am Fuße der breiten Treppe, die zum Kreuzgang führt – darf ich Sie erwarten?“
    „Nein, nein!“
    „Der Mond wird scheinen, um zehn Uhr werde ich dort sein.“
    „Nein, auf keinen Fall!“
    „Die Treppe ist ganz dicht an Ihrem Zimmer, geben Sie mir nur fünf Minuten!“
    Und leicht theatralisch fügte Hamilton hinzu: „Sie müssen kommen, sonst werde ich die ganze Nacht im Kreuzgang auf Sie warten.“
    Sie gingen jetzt so dicht hinter Isabelle und dem jungen Zedwitz, dass eine weitere Unterhaltung unmöglich war.
    Ehe sie ins Haus traten, flüsterte der Graf triumphierend: „Ich werde morgen alles erfahren.“
    „Und ich heute Abend.“
    „Was? Wann? Wie? Wo?“
    „Das geht Sie überhaupt nichts an!“
    „Ich werde es herausfinden, darauf können Sie sich verlassen.“
    „Ja, tun Sie das!“, rief Hamilton lachend.
    Aber schon im nächsten Augenblick bedauerte er seine unbedachte Bemerkung. Er überlegte kurz, ob er Zedwitz in seinen Plan einweihen sollte, aber er wollte Sophie nicht in eine peinliche Lage bringen, und deshalb schwieg er. Wenn er Glück hatte, würde der Graf seine Äußerung einfach vergessen.  
     
    Nach dem Abendessen holte Madame Rosenberg wie gewöhnlich ihr Strickzeug hervor und Hamilton verwickelte sie in ein harmloses Gespräch, bis ihre Töchter das Zimmer verlassen hatten. Er wollte sich eigentlich möglichst schnell ebenfalls zurückziehen, als Madame ihn wissen ließ, dass sie Engländer allgemein als angenehme Gesellschafter schätze; sie seien zudem erfreulich unkompliziert und überhaupt nicht anstrengend. Das wisse sie, weil sie in ihrem Hause zwei möblierte Zimmer vermiete, die in den letzten Jahren stets von Engländern bewohnt wurden, mit denen sie sehr zufrieden gewesen sei. Natürlich war Hamilton über diese Mitteilung mehr als erfreut, kam sie seinen Wünschen doch unerwartet entgegen, und sie einigten sich in kurzer Zeit auf einen angemessenen monatlichen Preis für Kost und Logis. Madame Rosenberg schien hoch erfreut, dass erneut ein Engländer bei ihr wohnen werde und fragte ihn, ob er einen Mr. Smith kenne. Hamilton kannte einige, schließlich war Smith einer der häufigsten Familiennamen in London.
    „Ich meine einen Mr. Howard Seymour Smith.“
    Hamilton verneinte.
    „Aber vielleicht kennen Sie Captain Black? Er hat voriges Jahr bei uns logiert, allerdings bei Havard im Hotel gegessen. Sie werden der Erste sein, der quasi ein Mitglied unserer Familie sein wird, wenn ich mich so ausdrücken darf. Ich bin gespannt, was mein Mann zu diesem Arrangement sagen wird.“
    „Darf ich Sie bitten, gleich morgen an ihn zu schreiben, da ich sonst mit der Baronin  sprechen würde ...“
    „Ach du lieber Himmel, ich brauche ihm nicht zu schreiben – solche Angelegenheiten regele ich grundsätzlich allein, Sie haben mit ihm gar nichts zu tun.“
    „Wenn das so ist, dann bin ich ganz beruhigt“, erwiderte Hamilton, indem er aufstand und seine Kerze von einem Seitentisch nahm. Frau Rosenberg nahm die ihre und sie stiegen zusammen die Treppe hinauf.
    Als er in sein Zimmer trat, zeigte die Wanduhr fast halb zehn. Da er an den jungen Zedwitz und seine Neugier dachte, stellte er sein Licht vorsorglich hinter den Kamin, damit draußen auf dem Korridor kein Lichtschein zu sehen war.
    „Er wird vielleicht denken, dass ich schon im Bett liege und schlafe, wenn er auf sein Klopfen keine Antwort erhält“, dachte Hamilton, als er eine halbe Stunde später leise das Zimmer verließ und die Tür abschloss. Zu seiner Erleichterung begegnete ihm auf dem Weg nach unten zum Kreuzgang niemand. Er versteckte sich hinter einem dort abgestellten alten Bierfass und wartete geduldig, bis er Schritte auf der Treppe hörte.
    Er flüsterte: „Ich bin hier, geben Sie mir Ihre Hand.“
    Einen Moment war alles ruhig, doch dann hörte er zu seiner Überraschung, dass sich die Schritte wieder entfernten; es klang so, als würde jemand hastig mehrere Stufen auf einmal nehmen, um schnell wieder nach oben kommen. Hamilton vermutete, dass Sophie irgendein Geräusch

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