Die Versuchung
Kaffee bringen“, sagte Sophie bereitwillig.
„Nein, das wirst du nicht tun“, sagte ihre Stiefmutter streng. „Das kommt nicht in Frage … und ich meine … der Major … aber es tut nichts zur Sache, es ist unnötig, es zu erklären. Ruf Isabelle.“
Wenig später kam Isabelle, die widerstrebend auf das Tablett blickte. „Kann ich nicht Walburga schicken?“
„Sie ist nicht da, sie macht eine Besorgung für mich. Bis sie zurückkommt, ist der Kaffee kalt.“
„Aber … aber … Herr Hamilton ist nicht allein ...“
„Graf Zedwitz ist bei ihm, aber er wird dich nicht beißen.“
Eine halbe Stunde später traf Hamilton im Flur auf Madame Rosenberg, die ihm zunickte und sagte: „Ich hoffe, Ihr Kaffee war noch warm.“
„Kaffee? Nun – wann und wo habe ich ihn getrunken?“
„In Ihrem Zimmer“, antwortete sie lachend. „Haben Sie das wirklich vergessen? Gerade vor einer halben Stunde habe ich Isabelle damit zu Ihnen geschickt.“ Hamilton blickte fragend zu Isabelle, die gerade aus dem Kinderzimmer kam. Sie sah ihn kühl an und sagte auf Französisch: „Ich habe den Kaffee lieber aus dem Fenster geschüttet als ihn zu Ihnen zu bringen.“
„Das nächste Mal sollten Sie ihn lieber trinken“, lachte Hamilton und verließ mit Zedwitz die Wohnung. Als sie zusammen die Treppe hinunter gingen, sagte er: „Das ist das merkwürdigste Mädchen, das ich jemals kennen gelernt habe. Sie können sich nicht vorstellen, wie sie mich unterhält und immer wieder aufs Neue versucht, mich zu reizen.“
„Doch, ich kann es mir gut vorstellen“, sagte Zedwitz trocken.
„Aber Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr sie mich hasst.“
„Das ist doch genau das, was Sie sich gewünscht haben, wenn ich mich recht erinnere. Aber ich hoffe für Sie, dass Sie ihr gegenüber noch immer so gleichgültig sind wie früher.“
„Vielleicht nicht völlig gleichgültig – ihre Art würde mir eigentlich ganz gut gefallen, wenn sie etwas weniger angriffslustig wäre.“
„Ich hatte nie den Eindruck, dass sie angriffslustig ist“, sagte Zedwitz.
„Natürlich nicht – Sie waren ihr völlig ergeben und haben ihr garantiert nie widersprochen.“
An der Haustür blieb Zedwitz stehen und blickte auf eine Gruppe von Offizieren, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite vor einem Schaufenster standen und interessiert hineinblickten.
„Sehen Sie diese Herren dort? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich ernsthaft für die Kaffeekannen und Leuchter in dem Schaufenster interessieren“, sagte er. „Das ist nur ein Ablenkungsmanöver. Ich habe gesehen, wie sie nach oben geblickt haben, womöglich zu den Fenstern der Rosenbergschen Wohnung. Und sie waren schon hier, als ich gekommen bin.“
Sie gingen über die Straße, blickten hinauf und sahen Sophie und Madame Berger mit einer Handarbeit am Fenster sitzen.
„Oh, Madame Berger“, sagte Zedwitz, „der richtige Umgang für die naive Sophie.“
„Kennen Sie sie?“ fragte Hamilton.
„Natürlich. Ihr Mann ist unser Hausarzt. Sie ist dafür bekannt, dass sie allen Männern schöne Augen macht.“ Zedwitz drehte sich zu den Offizieren um und sprach einen von ihnen an: „Nun, Raimund, was bewundern Sie in dieser Auslage?“
„Die Küchengeräte, Zedwitz! Ich werde bald solche Dinge kaufen müssen, da muss ich mich umsehen.“
„Sie wollen doch nicht sagen, dass Sie vorhaben, einen Hausstand zu gründen?“
„Ob ich es vorhabe, ist eine Sache, aber mein Vater wünscht es.“
„Und wer ist die Glückliche, die dazu ausersehen ist, aus Ihnen einen anständigen Ehemann zu machen?“
„Sie soll dort drüben in diesem Haus wohnen“, antwortete Raimund und deutete hinüber.
„Im dritten Stock?“, fragte Zedwitz argwöhnisch, denn dort wohnten die Rosenbergs.
„Nein, meine Frau suche ich nicht so hoch oben“, erwiderte Raimund spöttisch. Jeder wusste, dass gutsituierte Familien im ersten oder zweiten Stock wohnten, in den besseren Etagen.
„Und wann soll es soweit sein?“
„Das steht noch nicht fest, erst muss ich die Dame selbst kennen lernen. Dann werden wir sehen.“
Zedwitz nickte ihm zu und ging mit Hamilton weiter.
„Ich hoffe, dass er die Wahrheit sagt, denn es würde mir sehr leid tun, wenn er eines der Rosenberg-Mädchen bekommen würde. Er ist sehr gebildet, aber ein stadtbekannter Casanova, der bereits zwei Mädchen aus guten Familien verführt hat, und er schreckt nicht davor zurück, mit seinen Erfolgen zu
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