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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
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nichts“, sagte Isabelle zögernd. „Und da es nicht um mich geht, sondern um meine Schwester, kann ich den Vorschlag nicht ablehnen.“
    „Sie geben sich also damit zufrieden und verlangen nicht mehr, dass ich unverzüglich das Haus verlasse?“
    „Ich werde mich wohl damit zufrieden geben müssen“, sagte sie.
    „Für den Fall, dass ich mein Versprechen gewissenhaft einhalte – würden Sie mir gegenüber künftig dann wenigstens auf gewisse Feindseligkeiten verzichten?“, fragte Hamilton.
    „Sie haben mir gerade geraten, keine übereilten Versprechungen zu machen“, sagte Isabelle kühl. „Das Klügste wäre, wenn wir uns so wenig möglich begegnen und überhaupt nicht miteinander sprechen.“
    „Vielleicht haben Sie recht“, erwiderte Hamilton und sah ihr nach, als sie das Zimmer verließ.
    „Zedwitz und seine Schwester sind wirklich völlig auf dem Holzweg“, dachte er. „Oder Verliebtheit äußert sich bei Isabelle auf völlig andere Weise als bei  anderen Menschen.“
     
    9
    „Verbringt Herr Rosenberg den Abend nie zuhause?“, fragte Hamilton eines Tages, nachdem er drei Wochen darauf gewartet hatte, den Hausherrn näher kennen zu lernen.
    „Nein, nie – was sollte er auch zuhause tun?“, antwortete Madame Rosenberg offensichtlich erstaunt.
    Hamilton schwieg. Ihm fiel ein, dass er noch nie gesehen hatte, wie sich Herr und Frau Rosenberg miteinander unterhielten.
    „Er trinkt sein Bier im Wirtshaus und liest dort auch die Zeitung“, fuhr sie fort. „Sie können ihn sicher begleiten, wenn Sie wollen – es wundert mich, dass Sie es nicht tun, denn es ist ganz natürlich, dass Sie sich abends langweilen, wenn Sie nicht ins Theater gehen können.“
    „Ich langweile mich nicht“, antwortete Hamilton. „Ich gehe eigentlich nur deshalb so oft ins Theater, weil man mir gesagt hat, dass das die beste Methode sei, eine fremde Sprache perfekt zu lernen. Apropos, ich habe heute einen Brief von meinem Vater bekommen, und er wünscht, dass ich einen deutschen Privatlehrer engagiere; er möchte auch, dass ich die deutsche Literatur studiere. Vielleicht kann mir Herr Rosenberg jemanden empfehlen.“
    „Wenn es um französische Literatur ginge, dann könnte Ihnen sicher Isabelle Unterricht geben, aber die deutsche Literatur ist in Ihrer Schule ziemlich vernachlässigt worden. Es wäre vielleicht am besten, wenn Sie mit Ihnen zusammen ihre Bildungslücken schließen würde.“
    „Du hast recht, das wäre eine gute Gelegenheit, meine Studien fortzusetzen“, sagte Isabelle sofort.
    „Ich habe oft zusammen mit meiner Schwester gelernt“, sagte Hamilton eifrig, „man lernt doch am besten in Gesellschaft.“
    „Darf ich nicht auch Unterricht nehmen, Mama?“, fragte Sophie schüchtern.
    „Wozu?“, rief ihre Mutter lachend. „Hast du nicht bereits einen Mann gefunden, der mit dir zufrieden ist, so wie du bist? Die Zeit und das Geld für deine Stunden wären reine Verschwendung. Außerdem müssen wir uns um deine Aussteuer kümmern. Die Näherin kommt morgen und dann müssen wir ernsthaft damit anfangen. Bei Isabelle sieht es anders aus. Die heiratswilligen Männer fallen nicht einfach vom Himmel und man braucht sie nur aufzulesen. Es ist gar nicht so sicher, ob sie überhaupt heiraten wird, und dann wird sie vielleicht ihren Lebensunterhalt durch Unterricht sichern müssen. Das Leben ist ungewiss – wenn eurem Vater etwas zustoßen sollte ...“
    „Dem Papa?“, rief Isabelle erschrocken. „Hat er irgendetwas gesagt? Könnte er wieder ...“
    „Es gibt keinen Grund zur Besorgnis, es geht ihm gut“, antwortete ihre Mutter. „Manchmal wünschte ich, du würdest einen kleinen Teil deiner Aufmerksamkeit und deiner Zuneigung, die du deinem Vater so reichlich zukommen lässt, auch zeigen, wenn ich leidend bin. Es würde dir besser anstehen als die kühle Gleichgültigkeit, die du mir gegenüber an den Tag legst. Sophie ist ganz anders und deshalb kommt sie mir auch wie mein eigenes Kind vor.“
    „Du bist sehr freundlich, Mama“, sagte Sophie leise.
    „Zu mir bist du nicht freundlich“, sagte Isabelle mutig, „vielleicht verdiene ich es auch nicht. Ich habe kein Recht, von dir Liebe zu erwarten, aber ich habe doch das Recht auf Gerechtigkeit.“
    „Ich habe dich nicht ungerecht behandelt“, erwiderte Madame Rosenberg bestimmt. „Herr Hamilton wird mir sicher zustimmen.“
    „Entschuldigen Sie mich“, sagte Hamilton. „Ich bin nicht kompetent, um zu einem solchen Thema eine Meinung zu

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