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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
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Gesicht und ließ sie so hübsch erscheinen, dass er neckisch ihren Korb festhielt und allerlei Fragen zu den Farben stellte, was sie wesentlich mehr zu unterhalten schien als die Bemerkungen des Majors, der zuerst auf den Tisch trommelte, dann seinen Stuhl zurückschob und ihr endlich mürrisch sagte, dass sie Herrn Hamilton daran hindere, seine Zeitung zu lesen.
    Hamilton verstand den Wink und gab den Korb lächelnd zurück. Sophie errötete und folgte dem Major unwillig an einen anderen Tisch, wo er ihr Briefe seiner Familie vorlesen wollte. Hamilton rückte mit seinem Stuhl näher zu Isabelle und sagte: „Es ist mir sehr lieb, dass Sie niemanden haben, der Ihnen verbieten könnte, mit mir zu sprechen.“
    Isabelle beugte sich über ihre Handarbeit, sah dann plötzlich auf und fragte: „Was für ein Mensch ist Ihr älterer Bruder?“
    „Ein gutmütiger Kerl, angenehm und unterhaltsam. Sie würden ihn sicher mögen, wenn Sie ihm verzeihen könnten, dass er kein Deutsch und miserabel Französisch spricht.“
    „Ist er liebenswürdig?“
    „Ganz sicher.“
    „Und ein Tunichtgut?“
    „Manchmal“, sagte Hamilton lächelnd. „Aber nicht halb so schlimm wie Ihr Cousin Philipp.“
    „Ist er viel älter als Sie?“
    „Ein paar Jahre. – Darf ich fragen, weshalb Sie sich plötzlich für meinen Bruder interessieren?“
    „Er interessiert mich überhaupt nicht“, sagte Isabelle, aber in diesem Moment entdeckte Hamilton ein kleines Buch, das unter den Wollknäueln im Korb lag. Sie wollte ihn erst daran hindern, es hervorzuziehen, ließ ihn dann aber gewähren. Hamilton blätterte eine Weile schweigend darin, dann fragte er: „Wer hat Ihnen die Lektüre von George Sand empfohlen?“
    „Philipp – er hat mir gesagt, dass ihre Bücher interessant und gut geschrieben seien.“
    „Das sind sie ganz sicher, aber trotzdem wäre ich nicht auf die Idee gekommen, sie Ihnen zu empfehlen – schon gar nicht dieses Buch. Ich bin erstaunt, dass Sie nicht selbst gemerkt haben, dass es nicht für junge Damen Ihres Alters geschrieben wurde.“
    „Pah!“, rief Isabelle. „Die Mama wünscht, dass ich Französisch lese, damit ich die Sprache nicht verlerne. Philipp meinte, dass ich das Buch unbesorgt lesen könne, denn es sei von einer Frau geschrieben und könne deshalb auch von einer Frau gelesen werden.“
    „Sie hatten also selbst Bedenken?!
    „Jetzt nicht mehr“, sagte sie und nahm das Buch wieder an sich. „Übrigens muss ich unbedingt wissen, ob die Heldin den jungen Dichter am Ende heiratet oder nicht.“
    „Heiraten?“, rief Hamilton mit spöttischem Lachen. „Von Heirat steht kein Wort in dem ganzen Buch, das wäre viel zu unromantisch. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass diese Heldin wirklich nach Ihrem Geschmack ist – eine Heldin, die sich ganz in irdischen Freuden und Genüssen verliert. Ich wünschte, es wäre eines der anderen Werke von George Sand … Wenn sie das Buch nur lesen, um das Ende der Geschichte zu erfahren, so ist es leicht erzählt.“
    „Philipp traut mir wesentlich mehr zu als Sie“, sagte Isabelle. „Er sagt, dass ich für mein Alter so weit sei, dass ich ohne Weiteres alles lesen könne, was ich wolle.“
    „Er wollte Ihnen schmeicheln. Aber lesen Sie doch einfach ein halbes Dutzend Seiten vor – fangen Sie an, wo Sie wollen.“
    „Es ist nicht so gut geeignet zum Vorlesen“, sagte Isabelle verlegen.
    „Wenn Sie das selbst sagen, dann wissen Sie eigentlich sehr gut, welche Bücher für Sie geeignet sind und welche nicht.“
    „Aber ich glaube, dass ich viele Stellen finden werde, die ich ohne Bedenken vorlesen kann.“
    „Nun, dann lesen Sie“, sagte Hamilton.
    Isabelle begann, aber schon bald wurde ihre Stimme leiser, sie errötete leicht und wandte ihr Gesicht von ihm ab; doch sie las weiter, bis ihre Stimme fast unhörbar wurde. Dann warf sie das Buch beiseite und sagte: „Sie hatten Recht, ich werde davon nichts mehr lesen und auch nicht die anderen, die mir Philipp empfohlen hat.“
     
    Am folgenden Sonntag sah Hamilton bei seinem Ausritt die gesamte Familie Rosenberg im Englischen Garten spazieren gehen – nur Isabelle fehlte. Es kam ihm merkwürdig vor, dass sie zuhause blieb und er überlegte einen Moment, ob er nach dem Grund fragen sollte. Aber dann dachte er daran, dass er sie jetzt wahrscheinlich allein antreffen könnte, und ritt zurück. Er trat über die Hintertreppe ins Haus, sah sich um und entdeckte Isabelle auf dem Sofa im Gesellschaftszimmer,

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