Die Versuchung
erstickten Schrei zu hören und stürzte, ohne zu wissen, was er fürchtete oder erwartete, in den Flur. Isabelle hielt den Arm ihres Cousins mit beiden Händen fest und rief: „Um Himmels willen, Philipp, erschrecke mich nicht so entsetzlich!“
In diesem Moment klingelte es im Haus und man hörte Stimmen auf der Treppe.
„Versteck mich in deinem Zimmer, Isabelle, ich bin verloren, wenn die Hoffmanns mich hier finden.“
„Und was soll aus mir werden, wenn man dich hier findet?“, fragte sie und wurde blass. Dann kam ihr eine Idee und sie führte Philipp zu Hamiltons Zimmer.
„Herr Hamilton“, sagte sie mit bebender Stimme, „wollen Sie bitte die Güte haben, Philipp zu erlauben, einige Minuten in Ihrem Zimmer zu bleiben und ihm dann die Tür zur Hintertreppe zu öffnen.“
„Die Rolle, die Sie mir da anvertrauen, ist keineswegs angenehm, Mademoiselle, aber ich will Sie nicht in Verlegenheit bringen. Es wäre durchaus möglich, dass Graf Raimund gekommen ist, um mich zu besuchen, und deshalb besteht auch keine Notwendigkeit für ihn, das Haus über die Hintertreppe zu verlassen; das würde nur unnötig verdächtig aussehen, falls es jemand bemerkt.“
„Das ist wahr“, sagte Isabelle verwirrt.
Raimund sah wütend aus und schien unschlüssig, ob er eintreten sollte oder nicht. Es klingelte erneut und Isabelle wollte gehen, um zu öffnen, als Raimund sie am Arm festhielt und zischte: „Ein Wort! Ist es Zedwitz? Oder ...“
Isabelle lief dunkelrot an, sie zitterte. Sie stieß ihn von sich und lief zur Wohnungstür, während Raimund hastig in Hamiltons Zimmer trat, die Tür aber nicht schloss, sondern nur anlehnte, um zu horchen.
„Ich habe Graf Raimund vor einer halben Stunde in das Haus gehen sehen“, sagte eine laute Frauenstimme, die Hamilton sofort als die von Frau Hoffmann erkannte. „Da ich wusste, dass von der Familie Rosenberg nur Isabelle zuhause ist, wartete ich darauf, dass er es gleich wieder verlässt.“
„Ich glaube, dass du dich irrst, Mama“, sagte Fräulein von Hoffmann.
„Ich bin zwar schwerhörig, Caroline, aber meine Augen sind nicht schlechter als deine, und mit diesen Augen habe ich ihn in das Haus gehen sehen.“
„Sie haben ganz recht“, sagte Raimund und trat mit breitem Lächeln auf sie zu. „Ich wusste, dass Caroline mit Madame Rosenberg ausgegangen war, und deshalb habe ich es gewagt, meinen Freund Hamilton zu besuchen.“
„Aber Herr Hamilton ist ausgeritten“, rief Frau von Hoffmann.
„Vielleicht war er ausgeritten, aber ich hatte das Glück, ihn zuhause anzutreffen.“
„Dann muss er über die Hintertreppe heraufgekommen sein, denn sonst hätte ich ihn sehen müssen.“
„Leicht möglich“, sagte Raimund verächtlich.
„Caroline, ich glaube von all dem kein Wort“, sagte die alte Dame. „Der Engländer ist ebenso wenig im Hause wie alle anderen.“
„Zum Geier mit Ihrem Misstrauen!“, rief Raimund wütend. „Wahrscheinlich werde ich, um Sie zufrieden zu stellen, genötigt sein, Herrn Hamilton dazu zu bringen, sich dem versammelten Haushalt zu zeigen.“
Frau von Hoffmann lachte spöttisch und sagte dann: „Vielleicht kann Ihnen ja Mademoiselle Isabelle behilflich sein, ihn zum Vorschein zu bringen.“
Diese Worte wirkten wie ein Zauberspruch. Kaum hatte Hamilton Isabelles Namen gehört, als er mechanisch aufstand, Hut und Reitgerte nahm und mit einem gezwungenen Lächeln an den Hoffmanns und Madame Rosenberg vorbeiging. Als er Isabelle ansah, spielte ein verächtliches Lächeln um seinen Mund, das auch ihre feuchten Augen und ihre ungewöhnliche Blässe nicht mildern konnten.
Nach seiner Rückkehr blieb er in seinem Zimmer, bis das Abendessen gemeldet wurde. Herr Rosenberg war mit Sophie und Major Stutzenbacher heute Abend in der Oper. Im Gesellschaftszimmer bemühte sich Madame Rosenberg gerade, Isabelle dazu zu überreden, ihren Platz am Ofen zu verlassen.
„Deine Kopfschmerzen sind wahrscheinlich einfach dadurch verursacht worden, dass du den ganzen Tag in einem völlig überheizten Zimmer verbracht hast. Das nächste Mal werde ich Johann zuhause lassen, denn wenn du mit uns spazieren gegangen wärst, hättest du vermutlich keine Kopfschmerzen. Meinen Sie nicht auch, Herr Hamilton?“
„Das ist sehr wahrscheinlich“, antwortete er, indem er sich neben Frau Rosenberg setzte.
„Und meinen Sie nicht, dass es besser für sie wäre, wenn sie ein wenig Suppe essen würde?“
„Vielleicht.“
Isabelle nahm schweigend ihren
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