Die Versuchung der Hoffnung
schließen. Sogar mit einem Doppelknoten, sicher ist sicher.
Dazu hat meine durchgeknallte Freundin mir eine enge schwarze Hose und ein paar schwarze Stiefel eingepackt. Letztere gehören zumindest mir und haben somit eine halbwegs bequeme Laufhöhe. Im Anschluss frische ich mein Make-up vor dem Spiegel ein bisschen auf und ziehe mir Strickjacke und Wintermantel wieder über, um mir draußen nicht den Tod zu holen.
Als ich zehn Minuten später wieder zurück zu Valerie gehe, wartet sie im Eingangsbereich der Bibliothek zwischen Innen- und Außentür auf mich. Vermutlich hat sie unter Ihrer Daunenjacke noch knappere Sachen an als die, die sie mich zu tragen zwingt, und hat Angst, beim Warten in der Kälte tiefgefroren zu werden.
„Braves Mädchen“, sagt sie, als sie mein nun stärker geschminktes Gesicht sieht. Dann hakt sie sich bei mir unter, vermutlich um jeden Gedanken an eine Flucht gleich im Keim zu ersticken.
Es ist nicht so, als würde ich nicht gern mal ausgehen und ein bisschen Spaß haben. Nur leider unterscheiden sich Vals und meine Vorstellungen von Spaß signifikant.
Meistens sind die Abende mit ihr für etwas weniger extrovertierte Gemüter wie mich in erster Linie vor allem eines: sterbenspeinlich.
Lässt man sie den Abend planen, landet man mit ihr in der nächsten Karaokebar und wird dazu gezwungen, ein Duett mit ihr zu singen. Sie hat mich auch schon mal auf eine Menstrip-Show gezerrt und es irgendwie geschafft, dass ich zu dem selbstverliebten Stripper mit auf die Bühne musste, um ihm beim Ausziehen zu helfen. Während sie selbst, mich lauthals anfeuernd, fröhlich im Publikum stand. Mit Grauen erinnere ich mich auch an den Abend, an dem sie mich dazu genötigt hat, mit ihr auf dem Tresen zu tanzen. Zum Glück hatte ich mich vorher wenigstens für die lange Hose anstelle des kurzen Rocks entschieden, den sie mich zu tragen überreden wollte. Seltsamerweise bin ich immer schon mitten in der peinlichen Situation, bevor mein Gehirn überhaupt registriert, dass es eventuell sinnvoll gewesen wäre, mich zu wehren.
Und auch wenn ein Abend, an dem Valerie und ich zusammen ausgehen, ein bisschen konventioneller verläuft, ist es immer noch alles andere als entspannend.
Für sie ist ein Abend erst dann erfolgreich, wenn man sein Bett frühestens im Morgengrauen sieht, man kein Gefühl mehr in den Füßen hat, weil sie in den hochhackigen Schuhen beinah abgestorben sind, und man mindestens vier Telefonnummern von bis dato unbekannten Typen in der Tasche hat. Nicht, dass sie jemals einen davon anrufen würde! Ich habe die Theorie, dass sie heimlich in irgendwen verliebt ist und es mir nicht verraten will, aber sammeln tut sie die Nummern trotzdem.
Mit Valerie auszugehen ist dementsprechend anstrengend, feuchtfröhlich bis entsetzlich peinlich und langwierig. Außerdem wird es meistens teuer, zumindest für mich. Val schafft es im Normalfall, sich den ganzen Abend einladen zu lassen, während ich daneben stehe und den hässlichen Freund von ihrem gut aussehenden Telefonnummernopfer zwecks Ablenkung überlassen bekomme und meine Getränke sicherheitshalber selbst bezahle. Nicht dass sich der arme Kerl hinterher falsche Hoffnungen macht. Es ist jedes Mal wieder wie in einem schlechten Film. Einem ziemlich schlechten, um genau zu sein.
Um es deutlich zu machen: Ich mag Valerie wirklich sehr, aber ich gehe nicht wirklich gern mit ihr aus. Nie. Und an Tagen wie heute schon gar nicht.
Aber leider habe ich es ihr tatsächlich versprochen. Es war unser Kompromiss. Sie lässt mich während der Lernphase in Ruhe und dafür gehe ich mit ihr weg, wenn alle Prüfungen für dieses Semester hinter uns liegen.
Und dieser Tag ist leider genau heute.
Resigniert stapfe ich hinter Valerie her und denke mit Grauen daran, was ich wohl Ende des nächsten Semesters mit ihr werde machen müssen, wenn wir nicht nur unsere ganz normalen Klausuren, sondern unsere Abschlussprüfungen und damit unser ganzes Studium hinter uns haben.
Allein bei dem Gedanken daran durchläuft ein Schaudern meinen Körper.
Denk lieber gar nicht erst darüber nach, Hope.
Kapitel 2
Gähnend und frierend sitze ich in der Bar, in die Val mich gezwungen hat zu gehen. Wir sind für diesen Schuppen völlig overdressed und ich überlege seit mehreren Minuten, ob ich mir nicht doch meine Strickjacke wieder überziehen soll.
„Denk nicht mal dran“, zischt Valerie, als könne sie meine Gedanken lesen.
Während sie mit einem
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