Die Versuchung der Hoffnung
als ich mich gerade.
Den Montag bekomme ich mehr schlecht als recht herum, der Dienstag ist noch schlimmer, am Mittwoch habe ich das Gefühl, ich muss durchdrehen.
Erneut überprüfe ich alle Möglichkeiten, mit John in Kontakt zu treten. Ich kann und will ihm keine Nachricht über irgendein Fanpostfach zukommen lassen, bei dem ich nicht weiß, wer seine Post dort in die Finger bekommt. Die Sick Theories haben sich zwar schon vor über zwei Jahren aufgelöst, und soweit ich das verfolgen konnte, hat der Medienrummel um John danach deutlich abgenommen. Trotzdem bin ich mir ziemlich sicher, dass er noch genug Fanpost bekommt, um diese nicht komplett selbst bearbeiten zu können. Das will er vermutlich auch gar nicht.
Ihm auf diesem Weg die Nachricht zukommen zu lassen, dass er seit acht Jahren einen Sohn hat, finde ich beinah noch geschmackloser, als es ihm all die Jahre verschwiegen zu haben. Die Alternative wäre natürlich, ihn zu bitten, dass er sich mal bei mir melden soll. Allerdings bin ich mir in diesem Fall ziemlich sicher, dass ich mir die Mühe sparen kann, weil er sicher Hunderte solcher Nachrichten bekommen wird.
Ich zerbreche mir den Kopf darüber, wie ich ihn erreichen kann, aber mir fällt keine Möglichkeit ein.
Stattdessen schreibe ich wie eine Geisteskranke an meinem Krimi, um mich irgendwie abzulenken. Das Opfer in meinem neuen Roman ist gerade in einem Keller eingesperrt worden und verbringt die Zeit genau wie ich mit quälendem Warten.
Allerdings muss ich zugeben, dass quälend im Falle meiner Romanfigur doch etwas wörtlicher zu nehmen ist.
+++
Der Schweiß läuft John den Rücken herunter und er ist völlig außer Atem. Sein Herz rast so schnell, dass es ihn wundert, dass es nicht einfach aufgibt, aber er macht immer weiter. Seinen Gegner hat er längst in die Ecke gedrängt, trotzdem schlägt er zu. Viel härter als erforderlich. Immer wieder. So lang, bis ihn jemand zurückreißt und festhält.
„John, Mann, jetzt mach mal halblang! Du hättest ihm fast die Nase gebrochen …“ Sein Trainer klingt besorgt und ärgerlich. „Ich glaube, du hast eindeutig genug für heute, mein Junge!“ Bestimmt wird er in Richtung Umkleiden geschoben, wo John sich wütend auf die Bank fallen lässt.
„Was ist denn heute los mit dir, Mann?“
„Ach, Scheiße, lass mich in Ruhe!“
Kopfschüttelnd wird er schließlich allein gelassen.
Wie ein gehetztes Tier springt John wieder von der Bank auf. Ein paar Mal läuft er auf und ab, aufgebracht und aufgewühlt, dann lässt er seine Faust mit voller Kraft gegen die Wand krachen. Er kann spüren, wie seine Fingerknöchel aufplatzen und erst, als der Schmerz einsetzt, schafft er es, wieder ein bisschen runterzukommen.
Seit er Hope wiedergetroffen hat, ist er völlig durch den Wind.
Sie spukt in seinem Kopf herum, so schlimm wie schon seit Jahren nicht mehr. Verfolgt ihn bis in den Schlaf und er könnte beinah schwören, dass selbst sein Essen irgendwie nach ihr schmeckt.
Er war sogar im Studio und hat das alte Lied für sie umgeschrieben und eingespielt.
Fahr zu ihr hin. Fahr doch einfach wieder zu ihr hin, statt dich hier zu quälen.
Er würde der Versuchung gern nachgeben, allerdings ist er sich ziemlich sicher, dass das nicht lang helfen würde. Wie bei einer Droge würde das Hochgefühl nur so lang anhalten, wie er bei ihr wäre und danach … kämen Absturz und Entzug.
Sie hat mich verdammt noch mal vor die Tür gesetzt! Noch viel deutlicher kann sie mir wohl kaum machen, dass sie mich immer noch nicht will.
Und er selbst?
Er hat jahrelang versucht, sein gebrochenes Herz zu heilen. Er wäre beinah dabei vor die Hunde gegangen. Das mit Hope war ein wunderschönes Märchen, das bei der erstbesten Alltagsbelastung ohne Happy End ausgegangen ist. Weil das Leben eben die beschissene Realität ist und kein Märchen. Leider war er ein kleiner, naiver Junge, den diese Erkenntnis völlig aus der Bahn geworfen hat.
Fast hätte er das nicht überlebt.
Sich diesem Risiko noch einmal auszusetzen, wäre der blanke Wahnsinn.
Er sollte Abstand zu ihr halten. So viel Abstand wie möglich. Am besten sollte er gleich ans andere Ende des Kontinents umziehen.
Johns gute Vorsätze haben genau einen einzigen Tag lang Bestand. Dann steht er, in seinem Auto sitzend, vor ihrer Tür. Naja, nicht ganz vor ihrer Tür. Er hat so geparkt, dass sie ihn aus keinem ihrer Fenster sehen kann.
Eine halbe Stunde lang ringt er mit sich, ob er nun bei ihr klingeln
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