Die Versuchung der Hoffnung
wieder herauszufischen und glatt zu streichen. Ich muss dringend Mike anrufen, der einen Freund hat, der Anwalt ist und mir hoffentlich weiterhelfen kann. Bei dem Gedanken daran, selbst auch einen Anwalt zu haben, geht es mir gleich ein bisschen besser. Entschlossen nehme ich das Telefon in die Hand und will gerade Vals Nummer wählen, als es zu klingeln beginnt. Vor lauter Schreck lasse ich es fallen und ich habe Herzrasen, als ich es in letzter Sekunde schaffe, es wieder aufzufangen.
„Petterson?“ Ich klinge furchtbar, als ich abhebe.
„Hope!“ Die Stimme am anderen Ende kann ich zunächst nicht zuordnen. „Hier ist Ronald! Du hörst dich entzückend an.“
Ronald!
Der hat mir gerade noch zu meinem Glück gefehlt.
„Hallo, Ronald“, brumme ich in den Hörer und klinge dabei so genervt, dass ich hoffe, er legt gleich wieder auf. Aber eigentlich sollte ich es besser wissen.
„Nachdem du dich nicht mehr bei mir gemeldet hast, denke ich mal, dass du meine Telefonnummer bestimmt verloren hast.“
Nein, das war definitiv nicht der Grund.
Ich will etwas sagen, aber Ronald fährt unbeirrt fort. „Wir sollten uns dringend wiedersehen!“
Auf gar keinen Fall!
„Wie wäre es denn am Samstag?“
„Ron, hör mal, es passt mir gerade gar nicht …“, unterbreche ich ihn jetzt doch. „Und ich glaube auch, dass das mit uns nichts wird.“
„Dann vielleicht nächsten Samstag?“ Ron lässt nicht locker und ich verdrehe die Augen. Wie kann man nur so ignorant sein?
„Ronald, ich habe im Moment einfach zu viel zu tun und ich denke, das wird nichts mit uns!“ Ich hoffe, das war deutlich genug, ich habe keine Lust, wirklich unhöflich werden zu müssen. „Ich muss jetzt auflegen“, schiebe ich schnell noch nach und lasse dann meinen Worten Taten folgen.
Nachdem ich aufgelegt habe, bekomme ich furchtbare Kopfschmerzen.
Kann dieser Tag wirklich noch beschissener werden? Ich kann es mir kaum vorstellen. Der Gedanke, mich heute Abend so lang zu betrinken, bis mir alles egal ist, macht sich aufdringlich in meinem Kopf breit. Leider bin ich zu alt für so etwas und zu vernünftig. Außerdem habe ich die Verantwortung für ein Kind und am nächsten Tag Probleme plus einen fetten Kater zu haben, ist auch nicht unbedingt das, was ich als erstrebenswerten Zustand bezeichnen würde.
Du bist eine furchtbare Langweilerin!
Tief seufzend stecke ich den zerknitterten Brief ein und ziehe mir meine Jacke an, um zu Val und Mike hinüberzugehen.
Meinem Bruder treibt es die Zornesröte ins Gesicht, als er den Brief von Jonathans Anwalt durchliest.
„Der spinnt doch wohl! Samuel ist dein Kind! Du hast dich all die Jahre allein um ihn gekümmert und jetzt meint er einfach so ankommen und irgendwelche Rechte einfordern zu können?“ Mikes Hände ballen sich neben seinem Körper zu Fäusten und ich erwarte beinah, dass er gleich mit einem lauten Knall explodiert.
„Mike, er konnte sich vorher nicht um Sam kümmern, weil er gar nicht wusste, dass es ihn überhaupt gibt.“ So sehr ich mich auch über diesen Brief ärgere, sind diese Vorwürfe ja nun wirklich ungerecht.
Mein Bruder schnaubt nur verächtlich und tut ansonsten so, als hätte er meine Einwände gar nicht gehört. In einem früheren Jahrhundert hätte er jetzt vermutlich zu seinen Waffen gegriffen und Jonathan zum Duell herausgefordert.
Stattdessen greift er, ganz der moderne Mann, zum Telefon und ruft seinen Anwaltskumpel an.
Zwei Stunden später sitze ich mit meinem neuen Anwalt am Tisch.
Mein Anwalt!
Mir selbst einen Anwalt genommen zu haben, sorgt dafür, dass ich mich schon nicht mehr ganz so hilflos und ohnmächtig fühle wie noch vor wenigen Stunden.
In aller Ruhe liest er den Brief, ohne eine Miene zu verziehen. Dann lässt er sich von mir alle wichtigen Fakten über Sam, John und mich erzählen.
Zuletzt tätschelt er beruhigend meine Hand.
„Machen Sie sich keine Sorgen, Ms. Petterson. Bei einem Mann mit der Vergangenheit ihres Exmannes lässt sich zur Not immer ein netter Skandal finden, den man in so einem Fall gegen ihn verwenden kann.“
Meine Kopfschmerzen kehren zurück und ich massiere meine Nasenwurzel in der Hoffnung, sie damit wieder vertreiben zu können.
„Eine Schlammschlacht …“, sage ich nachdenklich. „Das ist eigentlich das Letzte, was ich will.“
Mein neuer Anwalt lehnt sich zurück und verschränkt die Arme.
„Und was wollen sie stattdessen?“
Kapitel 15
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„Der Anwalt Ihrer Exfrau hat uns
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