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Die Versuchung der Hoffnung

Die Versuchung der Hoffnung

Titel: Die Versuchung der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Kaiser
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dem Erfolg kamen die Frauen und die Drogen.
    Und statt eines Privatdetektivs gab es für eine ganze Zeit in seinem Leben nur noch einen tröstlichen Vollrausch, der ihn alles andere hat vergessen lassen, wenn auch nur sehr kurzfristig und sehr oberflächlich.
    Nachdenklich nimmt John seine Gitarre vom Ständer und spielt ein Lied, das er schon seit vielen, vielen Jahren nicht mehr gespielt hat. Er hat es mal für Hope geschrieben und ist nie dazu gekommen, es für sie zu spielen. Dennoch hat er keinen Akkord und keine Textzeile davon vergessen. Aber auch jetzt fühlt es sich immer noch seltsam an, es zu spielen. Als würde man die Geister der Vergangenheit heraufbeschwören - mit nicht vorhersehbaren Konsequenzen.
    Nach nicht einmal dem halben Lied legt Jonathan seine Gitarre wieder unsanft zur Seite. Seit er wieder zurück ist, kann er an nichts anderes mehr denken als an seine Exfrau. Und er könnte nicht gerade behaupten, dass ihm dieses Gedankenkarussell sonderlich gut gefallen würde.
    Aber der Sex mit ihr war umwerfend!
    Ärgerlich verdrängt er die unerwünschte Stimme in seinem Kopf. Leider zu spät für seinen Schwanz, der bei den Gedanken an Hopes nackten Körper umgehend hart wird. Vielleicht hätte er die vielen anderen Frauen nicht so leichtfertig aufgeben sollen. Sein Notizheft, in dem er sich alle Namen und Telefonnummern notiert hatte, nach seinem Entzug nicht so achtlos wegwerfen sollen. Dann hätte er jetzt wenigstens etwas, das ihn ablenken würde.
    Genervt lässt er sich aufs Sofa fallen und schaltet den Fernseher ein.
    Als ob dich das auf andere Gedanken bringen würde. Das hat doch noch nie funktioniert.
    +++
     
    Genau wie ein durchgeknallter Fan verbringe ich den Nachmittag damit, nach einer Adresse von John zu suchen, bei der ich halbwegs sicher sein kann, dass Briefe, die ich ihm schicke, auch tatsächlich bei ihm ankommen. Natürlich gibt es so was nicht und wie vermutlich zigtausend Fans vor mir, sitze ich irgendwann laut fluchend am Laptop. So laut fluchend, dass Sam, der mit dem Basteln eines Modellflugzeuges beschäftig ist, irritiert zu mir schaut.
    „Alles okay bei dir, Mommy? Kommst du mit deinem Buch nicht vorwärts?“ Er klingt, wie ich vermutlich klinge, wenn ich ihm bei einer schwierigen Matheaufgabe Mut zuspreche und ich muss lächeln.
    „Ja, mein Schatz. Alles gut. Ich habe nur etwas gesucht und nicht gefunden …“
    Sam nickt verständnisvoll und wendet sich dann wieder seinem Flugzeug zu, während ich mir die Haare raufe.
    Wenn ich etwas nicht ausstehen kann, dann ist es Ungewissheit. Ich hasse es, zu warten und nichts anderes tun zu können, als eben genau das: zu warten! Aber ich habe keine andere Möglichkeit. Jonathan Petterson ist von der Öffentlichkeit vermutlich ähnlich gut abgeschirmt wie der Papst. Und bei Letzterem könnte ich wenigstens um eine Audienz bitten!
    In einem Gefühlswirrwarr zwischen ärgerlich, verzweifelt und resigniert schließe ich meinen Internetbrowser und öffne stattdessen mein Schreibprogramm.
    Ich fürchte, meine Mordszenen werden heute deutlich blutrünstiger ausfallen als sonst. Ein paar sinnlose Schlägereien wären auch ganz hübsch.

 
Kapitel 12
     
    Die nächsten Tage treiben mich beinah in den Wahnsinn.
    Nachts wache ich schweißgebadet und schreiend auf, träume davon, dass John mir Samuel wegnehmen will. Tagsüber zucke ich bei jedem Motorengeräusch vor meinem Haus zusammen, weil ich denke, es könnte vielleicht Jonathans Motorrad sein. Oder sein Auto. Oder … Ach, was weiß ich denn.
    Mir ist in den letzten Tagen eines klar geworden: Ich muss ihn kontaktieren und ihm erzählen, dass er einen Sohn hat. Im Prinzip habe ich das immer tun wollen. Ich habe nur nie den richtigen Zeitpunkt gefunden. Und wenn ich es nicht jetzt mache, dann werde ich das auch nie tun. Und ich will nicht, dass John mir das eines Tages vorwerfen kann. Oder noch schlimmer: Dass Sam mir eines Tages vorwirft, ich hätte ihm seinen Vater vorenthalten.
    Er hat genug Zeit ohne ihn verbringen müssen. Egal, wie gut ich es dabei gemeint habe, ich habe mich dennoch oft gefragt, ob es wohl der richtige Weg gewesen ist.
    Wenn man Dinge nur lang genug verheimlicht, dann vergisst man irgendwann, dass man eigentlich mit einer Lüge lebt. Und ich habe keine Lust mehr darauf, noch länger zu lügen.
    Ich würde gern handeln, mit John reden, dann mit Sam reden. Aber alles, was ich machen kann, ist warten. Ein Tiger im Käfig könnte sich nicht viel schlimmer fühlen

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