Die Versuchung der Hoffnung
umgezogen habe.
Irgendwo im Schrank hat sie sogar Marshmallows gefunden, die jetzt süß und klebrig im Kakao herumschwimmen. Obwohl ich normalerweise so gar nicht auf völlig überzuckerte Lebensmittel stehe, habe ich im Moment das Gefühl, jedes bisschen Süße bitter nötig zu haben.
„Wollt ihr euch noch mal treffen?“ Valerie balanciert einen der Marshmallows in einem See von Kakao auf einem Teelöffel, um ihn dann in ihrem Mund verschwinden zu lassen.
„Keine Ahnung. Wir haben heute Morgen nicht darüber gesprochen. Als mir eingefallen ist, dass er nichts von Sam weiß, habe ich eine Art Panikanfall bekommen und Ted angerufen, der ihn in aller Herrgottsfrühe nach Auburn gebracht hat.“
Beim Versuch, ebenfalls einen weißen, schaumigen Zuckerberg im Kakaosee in meinen Mund zu manövrieren, rutscht mir der blöde Marshmallow vom Löffel, fällt in die Tasse und saut den halben Tisch voll.
„Du hast ihn also einfach vor die Tür gesetzt? Hoffentlich hast du nicht vergessen, ihm für seine Dienste vorher noch ein bisschen Geld zuzustecken, damit er sich so richtig benutzt vorkommen kann.“ Nach einem weiteren Löffel Kakao fügt sie hinzu: „Obwohl er das eigentlich verdient hätte. Ich bin mir sicher, er selbst hat mehr als genug Frauen so behandelt. Tut ihm bestimmt mal ganz gut.“
„Sei nicht so gemein.“
„Warum denn? Ich habe doch recht.“
„Ja, vermutlich hast du recht. Es ist nur …“ Es ist nur so, dass ich das nicht hören will. Ich will einfach nicht hören, mit wie vielen Frauen er nach mir im Bett gewesen ist. Ganz einfach deshalb, weil es nach all den Jahren immer noch fast so weh tut, als würde er mich jedes Mal aufs Neue betrügen.
Mit beiden Händen reibe ich über meine müden Augen. Als ich Valerie wieder ansehe, kann ich in ihrem Gesicht deutlich lesen, dass sie weiß, was gerade in mir vorgeht, ohne dass ich es aussprechen muss. Wir kennen uns einfach schon viel zu lang, beinah unser ganzes Leben. Da ist es manchmal schwierig, Dinge voreinander zu verheimlichen.
„Hast du eigentlich je wirklich aufgehört, John zu lieben?“
Sie stellt mir damit eine Frage, die ich mir selbst immer wieder gestellt habe und deren Antwort denkbar simpel ausfällt.
„Nein. So wirklich damit aufgehört habe ich nie.“ Ich spüre, wie meine Augen sich mit Tränen füllen, und blinzle sie energisch weg, während ich konzentriert in meinem Kakao rühre. „Aber letztendlich tut das ja auch nichts zur Sache. Ich kann damit leben, das habe ich doch all die Jahre schon getan. Und ich muss schließlich auch an Sam denken …“
„Vielleicht solltest du die Gelegenheit nutzen und Jonathan einfach mal die Wahrheit sagen? Im Prinzip wolltest du das doch ohnehin immer irgendwann tun. Und Sam … So sehr Mike und ich ihn auch lieben, fast so sehr, als wäre er auch unser eigener Sohn, aber meinst du nicht, er hätte vielleicht auch das Recht, seinen leiblichen Vater kennenzulernen? Und John? Auch er hat Rechte. Er ist doch kein Unmensch, Hope. Du musst es ihm sagen.“
Jetzt fangen meine Tränen doch an zu fließen und ich kann nichts dagegen tun. Sie hat natürlich recht. Ich habe es viel zu lang verschwiegen. Irgendwie war einfach nie der richtige Zeitpunkt da, und wenn man nur lang genug mit so etwas lebt, dann lässt es sich irgendwann hervorragend verdrängen.
„Ich habe furchtbare Angst davor“, nuschle ich unter Tränen in meinen Kakao und Valerie tätschelt tröstend meine Hand.
„Verstehe ich gut.“
„Übrigens habe ich gar keine Adresse von ihm. Und ich werde ihm bestimmt nicht an irgendeine Plattenfirmenadresse schreiben, als wäre ich ein durchgeknallter Fan.“
„Auch das verstehe ich. Das wäre auch irgendwie unpassend.“ Dann schaut sie mich mit schief gelegtem Kopf eine Weile musternd an. „Weißt du eigentlich, dass du dich kaum verändert hast in den letzten Jahren? Ich würde beinah jede Wette eingehen, dass John nicht lang brauchen wird, bis er sich bei dir meldet. Zumindest nicht, wenn er seine Sinne noch beieinander hat. Jetzt weiß er ja, wo du wohnst …“
+++
Tatsächlich hat es in den letzten Jahren Momente gegeben, in denen John versucht hat, Hope zu kontaktieren. Kurz nach ihrer Trennung war er sogar mal drauf und dran, einen Privatdetektiv darauf anzusetzen, ihren aktuellen Aufenthaltsort herauszufinden, weil sie, zumindest für ihn, plötzlich wie vom Erdboden verschluckt war. Aber gleichzeitig mit der Trennung von ihr kam der Erfolg. Und mit
Weitere Kostenlose Bücher