Die Versuchung der Zeit: Hourglass 2 - Roman (German Edition)
normalerweise nicht über meine Gabe, und mit dir schon gar nicht.«
»Hat Em dir erzählt, was passiert, wenn wir Jack nicht finden?«
»Nein.« Verunsicherung.
»Die Leute, die Jack in ihre Gewalt bringen wollen, behaupten, sie wüssten, wie man die Zeit zurückdrehen kann«, erklärte ich ihr. »Wenn wir ihn nicht finden und ausliefern, werden sie ihr Wissen in die Tat umsetzen. Mein Dad wird tot sein, und Em wird vollgestopft mit Medikamenten in der Psychiatrie vor sich hin vegetieren.«
Frustration und Zorn wandelten sich in Furcht.
Lily schüttelte den Kopf, als würde sie ihren Ohren nicht trauen. »In der Psychiatrie vor sich hin vegetieren?«
»Das reicht jetzt, okay?« Emerson drängte sich zwischen Lily und mich. »Ich möchte nicht, dass Lily aus Schuldgefühlen das Versprechen bricht, das sie ihrer Großmutter gegeben hat.«
»Ein Versprechen brechen oder das Leben von Menschen aufs Spiel setzen, was ist wichtiger?«, fragte ich.
»Warum hast du mir nicht von den Folgen erzählt?«, wollte Lily von Em wissen.
Ich nahm Ems Hand und konzentrierte mich auf ihre Gedanken und Gefühle. Sie versuchte, sich mir zu entziehen, aber ich hielt sie fest. »Warum willst du die Wahrheit vertuschen?«
Schließlich konnte Emerson sich befreien und erinnerte mich daran, wie viel Kraft in ihrem zierlichen Körper steckte. Ehe ich michs versah, war sie zur hinteren Veranda gerannt.
»Entschuldigst du uns ein paar Minuten?«, bat ich Lily. Als sie nickte, lief ich Emerson nach.
»Wir werden Jack aufhalten«, sagte ich. »Aber dazu müssen wir ihn finden.«
»Nein, darum geht es nicht.« Sie kämpfte gegen die Tränen an. »Jack hat Lily nicht erwähnt, als er all die Dinge aufzählte, die er für mich getan hat. Aber es wäre idiotisch von mir, etwas anderes zu denken. Eine beste Freundin mit einer übernatürlichen Fähigkeit? Kann das ein Zufall sein?«
»Es tut mir leid, Em.«
»Und ich weiß nicht, was aus ihr werden soll«, erwiderte Em bedrückt. »Ihr Leben … es ist sowieso schon nicht einfach gewesen. Und wenn Jack wirklich die Finger im Spiel hatte …«
»Warum sagst du es ihr nicht einfach?«
Em senkte die Stimme, denn Lily näherte sich uns. »Wie würdest du dich fühlen, so etwas zu erfahren? Dass dein ganzes Leben manipuliert wurde, weil jemand etwas von deiner besten Freundin wollte?«
»Aber du weiß doch gar nicht, ob …«
»Wenn er sie hierhergebracht hat, weiß er über ihre Gabe Bescheid. Jack hat für alles, was er tut, einen Grund.« Die Tränen, gegen die sie so tapfer angekämpft hatte, waren ihr in die Augen gestiegen. »Warum sollte er jemanden in unsere Nähe bringen, der ihn aufspüren könnte, obwohl er doch um keinen Preis gefunden werden will?«
»Das war’s. Schluss mit den Privatgesprächen«, unterbrach Lily uns und schloss Em fest in die Arme. »Geh ins Haus, Em.«
»Wieso?« Em wischte sich verwundert die Augen.
»Ich will mit ihm reden. Allein.«
Sie sah mich an.
10. KAPITEL
S obald Em außer Hörweite war, fixierte ich Lily. »Normalerweise finde ich es sexy, wenn ein Mädchen ein bisschen herrschsüchtig ist. Aber du übertreibst es.«
»Es ist mir vollkommen egal, was du von mir denkst.« Lily redete nicht um den heißen Brei; ihre Worte entsprachen immer ihren Gefühlen. »Du bist nichts Besonderes. Solchen wie dir bin ich schon hundertfach begegnet. War sogar mit ein paar von ihnen aus. Und du bist genau wie sie.«
»Es ist nicht nett, Leute in Schubladen zu stecken.«
»Erzähl mir nichts von Schubladen.« Sie blickte zum blassrosa Himmel auf und runzelte die Stirn. Ihre Augen hatten die gleiche Farbe wie der Tigeraugen-Anhänger, den sie um den Hals trug. »Ich habe keine Lust auf freundlichen Smalltalk. Michael steht auf Ems Seite, also werde ich keinerlei Informationen von ihm bekommen. Aber du bist egoistisch genug, um mir die Wahrheit zu sagen.«
»Äußerst scharfsinnig beobachtet.«
»Verlass dich drauf.«
»Vielleicht hat Em dir ja schon die Wahrheit gesagt«, konterte ich. »Erzähl mir doch, was du schon weißt.«
»Netter Versuch.«
»Danke für das Kompliment.«
Lily seufzte. »Ich weiß, dass Jack Landers, an ihrer Zeitachse herumgepfuscht hat. Ich weiß, worum es bei Hourglass geht – so ungefähr zumindest – und dass ihr Jack finden müsst.« Besorgnis. Hilflosigkeit. »Ich weiß, dass es ein Ultimatum gibt, aber nichts über den genauen Zeitpunkt oder die Konsequenzen.«
»Wenn du so gut informiert bist, wieso sollte ich
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