Die Versuchung der Zeit: Hourglass 2 - Roman (German Edition)
mir. Ich koche gern, und ich küsse gern, und ich kommandiere gern. Das gilt für beide Bereiche.«
Ich starrte sie so lange an, bis sie errötete.
»Magst du Knoblauch?« Ich schnappte mir eine Knolle aus dem Korb, woraufhin ein papierdünnes Stück Schale zu Boden segelte.
»In deinem Mundgeruch oder in meinem Essen?«
Gut gekontert.
Ich grinste. »Für den Fall, dass ich dir was übrig lasse.«
»Wenn du glaubst, ich bin scharf auf deine Essensreste – die kannst du dir sonst wohin schieben.«
Ich stellte die Gasflamme unter der Pfanne an, quetschte eine Knoblauchzehe durch die Presse, fügte gehackte Zwiebeln und Paprikaschoten hinzu und zum Schluss ein Stück Butter.
»Warum bist du so … nun ja, nicht gerade nett, aber auch nicht komplett ekelhaft?« Ihre Wangen waren immer noch gerötet.
»Ich bin ein Morgenmuffel. Ich brauche etwas im Magen, damit ich auf Böser-Junge-Modus umschalten kann.« Ich beobachtete sie aus dem Augenwinkel. »Bis zum Mittagessen solltest du besser nicht bleiben.«
»Nie im Leben.« Sie trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte herum, als hätte sie noch etwas auf dem Herzen. »Em hat gesagt, dass deine Eltern Zeitreisende sind, so wie sie und Michael.«
»Das ist richtig.«
»Da habe ich mich gefragt …«
»Was hast du dich gefragt?«
»Ich würde gern wissen, welche Fähigkeit du hast.«
»Wow.« Ich nahm den Pfannenheber und wendete das Gemüse. »Wie subtil! Wer hätte so viel Feingefühl von dir erwartet?«
»Du hast mein Geheimnis durch Lauschen herausgefunden.« Sie zuckte die Achseln. »Ich dachte, ich nehme die klassische Methode und frage dich einfach.«
Ich stützte mich mit den Ellbogen auf die Kochinsel, wobei ich mich ein wenig ducken musste, um mir nicht den Kopf am Topfregal zu stoßen. »Empathie. Ich spüre die Emotionen meiner Mitmenschen. Besonders die von Leuten, die ich kenne, aber auch die von Unbekannten – wenn ich sie berühre.«
»Hast du mich deshalb auf der Kostümparty angegrapscht? Um meine ›Emotionen‹ zu spüren?«
»Nein«, erwiderte ich grinsend. »Keineswegs.«
Lily verdrehte die Augen. »Wie hast du herausgefunden, welche Fähigkeit du hast?«
»Meine Mom ist Schauspielerin.« Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf den Herd und gab verquirlte Eier in die Pfanne. Um die Traurigkeit aus meinem Blick zu verscheuchen, bevor ich ihr wieder in die Augen sah. »Sie hat ihren Beruf aufgegeben, um mich großzuziehen, aber ab und an übernahm sie noch eine Rolle.«
»Das gibt’s doch gar nicht! Deine Mom ist Grace Walker? Du siehst genauso aus wie sie.«
Das sagte jeder.
»Da habe ich wohl Glück gehabt.«
Das war meine Standardantwort.
»Ich verstehe das nicht ganz. Was hat der Schauspielberuf deiner Mutter mit deiner Empathie zu tun?«
»Mom hat bei einem Remake von Cleopatra mitgewirkt, mit vielen emotionalen Szenen. Ich war damals drei.« Ich rüttelte die Pfanne, damit die Eier nicht ansetzten. »Ein paar Tage, nachdem sie zum Drehort abgereist war, habe ich plötzlich ganz absurd auf Sachen reagiert. Dad hat sie deswegen angerufen. Sie sind der Sache nachgegangen und haben herausgefunden, dass ich auf die Szenen reagiert habe, die sie spielen musste.«
»Das ist doch eigentlich nicht ungewöhnlich. Ich meine, schließlich ist sie deine Mom.«
»Sie hat in Ägypten gedreht.«
»Oh.« Lily knabberte kurz an ihrem Daumennagel. »Inwieweit hat Empathie mit Zeit zu tun?«
»Jeder Mensch hat eine emotionale Zeitachse.« Ich streute eine Hand voll geriebenen Käse über das Omelett, warf einen prüfenden Blick darauf und gab ein bisschen mehr hinzu. »Ich kann auf deiner Zeitachse reisen, wenn ich den richtigen Moment erwische.«
»Rückwärts oder vorwärts?«
»Ich mache keine Experimente mit der Zukunft.« Nicht mehr.
»Wie nutzt du die Zeitachsen anderer Menschen?«
»Hier riecht’s aber lecker.« Dad steckte den Kopf durch die Küchentür, und ich zuckte zusammen. »Danke, dass du gewartet hast, Lily.«
Gerettet.
»Keine Ursache.« Sie lächelte ihn kurz an, bevor sie mich mit einem ernsten Blick bedachte. »Danke, dass du den bösen Jungen in dir so lange in Schach gehalten hast. Guten Appetit beim Frühstück!«
Dad hielt ihr die Tür auf, und sie rauschte aus der Küche. Bevor er ihr folgte, musterte er meine nackte Brust und die Schürze. »Wie wär’s, wenn du dir ein T-Shirt überziehst?«
12. KAPITEL
N ach dem Gespräch mit Lily und all ihren Fragen konnte ich nicht aufhören, an meine
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