Die Versuchung der Zeit: Hourglass 2 - Roman (German Edition)
Erbstück von der Familie meiner Mutter und gehörte mir, seit ich klein war. Ich liebte seine kuschelige Wärme und dachte gern daran, dass mehrere Walker-Generationen darunter geschlafen hatten. »Hast du deine Tabletten regelmäßig eingenommen?«
»Kommt darauf an, was du unter regelmäßig verstehst.« Ich nahm das Mittel, das meine Emotionen ein wenig eindämmte und erträglicher machte, zwar ein, doch durch Alkohol wurde die Wirkung geschwächt.
»Vorzugsweise täglich. Ich habe mich gefragt, ob irgendetwas passiert ist. Es kommt mir vor, als hätte sich unsere Beziehung verändert.« Es auszusprechen tat ihm weh, doch ich hatte nicht vor, es ihm leichter zu machen.
»Du bist sechs Monate lang tot gewesen. Vieles ist anders geworden.«
Er zuckte zusammen, als hätte ich ihm einen Schlag versetzen wollen und ihn nur knapp verfehlt. »Das ist verständlich.«
»Worauf willst du hinaus?« Es nervte mich, wenn Leute nicht sagten, was sie meinten. Besonders Leute, an denen mir etwas lag. Ich wäre damit klargekommen, wenn er mich mit der nackten Wahrheit konfrontiert hätte, aber damit war bei Dad nicht zu rechnen.
»Du wirkst emotionaler als früher. Wir reden nicht über deine Mom, du besuchst sie nicht …«
»Ich will sie nicht besuchen.« Ich ging nicht in die Nähe ihres Zimmers, da ich Angst davor hatte, dass ich mich neben sie legen und nie wieder aufstehen würde. Ich griff nach der Tüte mit den Atomic Fireballs auf meinem Bett und warf mir eins von den Bonbons ein.
»Das ist deine Entscheidung«, erwiderte er sichtlich enttäuscht.
»Du hast dich auch verändert.« Ich schob die Hände in die Kängurutasche meines Sweatshirts und zog sie bis zu den Knien herunter. »Ihr habt Geheimnisse, du und Michael. Früher war das nicht so.«
»Ich hatte andere Erwachsene, auf die ich mich verlassen konnte.«
Aber ich bin dein Sohn .
Am liebsten hätte ich es laut ausgesprochen. Stattdessen schob ich mir noch ein Bonbon in den Mund. »Du hältst weiterhin nichts von der Idee, dass wir anderen dir helfen?«
»Nicht zu diesem Zeitpunkt. Es ist noch keine vierundzwanzig Stunden her. Warum hast du nicht ein bisschen Vertrauen zu deinem guten alten Dad?«
»Vielleicht solltest du Vertrauen zu uns haben«, nuschelte ich mit vollem Mund, während ich krampfhaft versuchte, mich von meinen Gefühlen abzulenken. Es funktionierte nicht. Ich biss das Brausebonbon in zwei Hälften.
»Es geht nicht darum, ob ich dir vertraue. Es geht mir in erster Linie darum, für deine Sicherheit zu sorgen.« Er stand auf. »Und damit ist die Diskussion beendet. Verstanden?«
Ich gab ihm keine Antwort.
»Ich habe Thomas und Dru versprochen, ihnen beim restlichen Umzug zu helfen. Wir fahren um fünf zu den Coles. Ich warte am Auto auf dich.«
Em zog nebenan ein, genauer gesagt, eine Meile von uns entfernt, aber sie und ihre Familie würden dennoch unsere nächsten Nachbarn sein.
Da Thomas’ Restaurant beim Kürbis-Festival so heftig ramponiert worden war, hatte Dad unsere komplette Muskelkraft fürs Geraderücken der Möbel angeboten. Als wir dort eintrafen, stand Michaels Cabrio bereits in der Einfahrt. Nachdem Dad ausgestiegen war, hielt ich mich im Hintergrund.
»Also schön«, sagte ich zu mir und sah mir selbst im Rückspiegel in die Augen. »Du wirst dich benehmen. Wirst mit niemandem streiten. Dru ist schwanger, also wirst du an ihre Belange denken statt an deine eigenen, ihr Wohl über deines stellen. Du bist die Liebenswürdigkeit in Person. Mensch gewordene Zuckerwatte.«
Mein Lachen begann als Gekicher, ging dann jedoch in ein Schnauben über.
Ich öffnete die Tür des Jeeps und trat auf die Auffahrt. Und stieß mit Lily Garcia zusammen.
»Wie kann man nur so eingebildet sein!«, spottete sie und stemmte die Hände in die Hüfte. »Redest mit deinem Spiegelbild, lachst über deine eigenen Witze …«
Was hatte sie gehört? »Hast du mir nachspioniert?«
»Das Autofenster war offen, du Genie.« Ihr leicht zerzauster Knoten und die kleine Nickelbrille erinnerten ein wenig an eine Bibliothekarin. Eine sexy, voreingenommene Bibliothekarin. »Du bist sicher hier, um beim Packen der Umzugskartons zu helfen.«
»Nein. Ich will beim Möbelrücken anfassen.« Ich ließ meine Muskeln spielen.
»Dann ist dein Ochsenfleisch endlich mal zu etwas gut. Zu schade, dass deine Intelligenz in deinem winzigen Gehirn verkümmert.«
»Oh, du hältst mich für intelligent?«
Sie seufzte nur genervt und drehte mir den Rücken
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