Die Versuchung
gehen und dich ihm ausliefern.«
»Genau das meine ich auch«, mischte Riggs sich ein. »Du kannst den Kerl nicht einfach anrufen und sagen: ›Mach dir keine Sorgen. Ich komme gleich rüber, damit du mich umbringen kannst.‹«
LuAnn antwortete ihm nicht.
»Er hat recht, LuAnn«, sagte Charlie. Dann wollte er aufstehen.
»Was hast du vor, zum Teufel?« fuhr sie ihn an.
»Mich anziehen.«
»Aber … hast du nicht gehört, was der Arzt gesagt hat?«
»Ich bin alt, und mein Gehör verläßt mich. Genauso, wie ich jetzt das Krankenhaus verlasse.«
»Charlie …«
»Hör mal zu, LuAnn«, sagte er zornig und versuchte, die Hose anzuziehen. LuAnn hielt seinen unverletzten Arm, während Riggs ihn von der anderen Seite stützte. »Ich bleibe nicht hier im Bett liegen, solange dieser Saukerl Lisa in seiner Gewalt hat. Wenn du das nicht verstehst, ist mir das scheißegal.«
LuAnn nickte und half ihm, die Hose anzuziehen. »Du bist ein großer, alter, aufmüpfiger Bär, weißt du das?«
»Ein einarmiger Bär. Aber der eine Arm reicht noch, um den Scheißkerl zu zerquetschen.«
Riggs hielt seinen verletzten Arm hoch. »Zu zweit haben wir zwei gesunde Arme. Und ich bin dem Burschen auch noch was schuldig.«
LuAnn stemmte die Hände in die Hüften. »Draußen steht ein Polizist.«
»Um den kümmere ich mich«, sagte Riggs.
LuAnn stopfte Charlies Habseligkeiten, auch das Handy, in eine Plastiktüte des Krankenhauses.
Als Charlie angezogen war, verließ Riggs das Zimmer und redete mit Billy.
»Billy, würden Sie so nett sein, uns aus der Cafeteria Kaffee und etwas zu essen holen? Ich würde ja selbst gehen, aber mit dem Scheißarm kann ich nichts tragen.« Er nickte mit dem Kopf zum Zimmer. »Und sie ist im Moment ziemlich mit den Nerven runter. Ich möchte sie nicht allein lassen.«
»Eigentlich darf ich meinen Posten nicht verlassen, Matt.«
»Ich bleibe da, Billy. Das geht schon in Ordnung.« Riggs hielt ihm Geldscheine hin. »Hier, holen Sie sich auch etwas. Ich kann mich erinnern, daß Sie nach unserem letzten Basketballspiel drei Pizzas verdrückt haben.« Er betrachtete Billys pralle Figur. »Ich möchte nicht, daß Sie vom Fleisch fallen.«
Lachend nahm Billy das Geld. »Sie kennen den Weg ins Herz Ihrer Mitmenschen.«
Sobald Billy im Fahrstuhl verschwunden war und sich die Türen geschlossen hatten, kamen Charlie, LuAnn und Riggs aus dem Zimmer und verließen das Krankenhaus über die Hintertreppe. LuAnn und Riggs stützten Charlie, als sie durch den strömenden Regen zum Wagen gingen. Der dicken Wolken wegen war es bereits ziemlich dunkel, und die Sicht wurde mit jeder Minute schlechter.
Kurz darauf erreichten die drei die Route 29. Charlie nutzte die Fahrt, LuAnn und Riggs zu berichten, was im Motel passiert war und daß Jackson einen zweiten Mann dabei hatte.
Als Charlie geendet hatte, beugte er sich vor. »Und wie sieht nun der Plan aus?« Er stöhnte, als der Wagen über ein Schlagloch fuhr und sein Arm durchgeschüttelt wurde.
LuAnn hielt an einer Tankstelle. Sie holte einen Zettel aus der Tasche. »Ich rufe ihn jetzt an.«
»Und was dann?« fragte Riggs.
»Das wird er mir schon sagen«, antwortete sie.
»Du weißt, was der Kerl sagen wird«, schimpfte Charlie. »Er wird ein Treffen vorschlagen, nur du und er. Und wenn du hingehst, bringt er dich um.«
»Und wenn ich nicht hingehe, bringt er Lisa um.«
»Er wird sie auf alle Fälle umbringen«, sagte Riggs wütend.
LuAnn schaute ihn an. »Nicht, wenn ich ihn zuvor erwische.« Sie dachte an die letzte Begegnung mit Jackson im Cottage. Sie war stärker als er. Nicht viel, aber sie war ihm körperlich überlegen. Aber das wußte Jackson auch. Sie hatte es in seinen Augen gelesen. Und das bedeutete, er würde sich nicht wieder auf einen Nahkampf einlassen. Das durfte sie auf keinen Fall vergessen. Und wenn Jackson sich umstellen konnte, konnte sie es auch.
»LuAnn, ich traue dir sehr viel zu«, sagte Riggs. »Aber dieser Kerl ist ein ganz besonderes Kaliber.«
»Er hat recht, LuAnn«, meinte Charlie.
»Vielen Dank für diesen Vertrauensbeweis, meine Herren.« LuAnn wartete gar nicht auf eine Erwiderung, sondern holte das Handy aus der Tüte und wählte. Ehe es klingelte, schaute sie Riggs und Charlie an. »Aber vergeßt nicht, ich habe zwei gesunde Arme.«
Riggs griff in die Jacke, bis er das Vertrauen einflößende, kalte Metall der Pistole spürte. Diesmal mußte er viel genauer zielen. Er hoffte, nicht wieder schmerzlich durch ein
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