Die Versuchung
gefallen, nicht die Geduld zu verlieren. Ich scheine eine natürliche Abneigung zu haben, darauf warten zu müssen, daß ein Wunsch sich erfüllt.«
»Ist das alles?«
Riggs nickte langsam.
»Bist du sicher, daß es dir nicht leid tut, in diese Sache verwickelt zu sein?«
Er zog sie näher an sich. »Warum, um alles in der Welt, sollte es mir leid tun?«
»Tja, dann werde ich dir mal ein paar Dinge nennen. Ein Messerstich, der um ein Haar tödlich gewesen wäre. Ein Wahnsinniger, der sich wahrscheinlich die größte Mühe gibt, uns umzubringen. Drogenbosse, die hinter dir her sind. Du hast beim FBI deinen Kopf für mich hingehalten, und deine Tarnung ist geplatzt. Die Leute, die dich vor fünf Jahren töten wollten, könnten jetzt wieder deine Fährte aufnehmen. Du fährst mit mir durchs Land und versuchst, den anderen stets einen Schritt voraus zu sein, während dein Bauunternehmen den Bach runtergeht. Und es sieht so aus, als hätte ich bald keinen Cent mehr, um dich für alles zu bezahlen, was du getan hast. Genügt das?«
Riggs strich LuAnn durchs Haar und beschloß, es ihr gleich jetzt zu sagen. Wer wußte schon, wie sich alles entwickeln würde. Vielleicht würde er keine zweite Chance bekommen.
»Du hast dabei eins vergessen: daß ich dich für eine wunderbare Frau halte.«
Sie hielt den Atem an. Ihre Augen musterten sein Gesicht und nahmen jede Einzelheit auf, jede noch so winzige Bewegung, um allem sofort eine Bedeutung verleihen zu können. Dabei hallten seine Worte in LuAnns Innerem wider. Sie wollte etwas sagen, brachte jedoch kein Wort heraus.
Er brach das Schweigen. »Ich weiß, es ist wahrscheinlich der unpassendste Moment, aber ich wollte, daß du es weißt.«
»Oh, Matthew«, brachte sie schließlich hervor. Ihre Stimme zitterte.
»Ich bin sicher, du hast diese Worte schon früher gehört. Oft sogar. Und von Typen, die wahrscheinlich viel besser zu dir paßten als …«
Sie legte ihm die Hand auf den Mund, sagte aber nicht gleich etwas. Er küßte ihre Finger.
Ihre Stimme klang heiser, als würde sie tief in ihr Inneres greifen, um die Worte heraufzuholen. »Ja, das haben auch andere Männer zu mir gesagt. Aber bei dir war es das erste Mal, daß ich richtig zugehört habe.«
Sie fuhr ihm durchs Haar; dann suchten ihre Lippen seinen Mund. Sie küßten sich lange und leidenschaftlich. In der Dunkelheit zogen sie sich gegenseitig aus. Ihre Finger tasteten sich behutsam vor, streichelten ihn liebevoll. LuAnn fing leise zu weinen an, als die ungleichen Zwillinge – die schreckliche Angst und das unbeschreibliche Glücksgefühl – um die Herrschaft rangen. Schließlich gab sie sich ganz dem Augenblick hin und überließ sich dem, wonach sie seit so vielen Jahren gesucht hatte, in so vielen Ländern. Kostbare Träume hatten sich in schreckliche Alpträume verwandelt, die auf boshafte Weise die Realität verschleiert hatten, in der nur Furcht und Schuldgefühle konstante Größen gewesen waren.
Sie klammerte sich an Matthew Riggs, als wüßte sie, daß dieser Mann vielleicht ihre letzte Chance war. Lange Zeit blieben ihre Körper eng umschlungen, ehe sie zurücksanken. Dann schliefen beide erschöpft ein, sicher und behütet in den Armen des anderen.
KAPITEL 57
Zu den medizinischen Einrichtungen der Universität von Virginia gehörte nicht nur ein Lehrstuhl, sondern auch ein sehr angesehenes Krankenhaus mit einer erstklassigen Intensivstation. LuAnn stürmte über den Korridor. Riggs wollte nachkommen, sobald er einen Parkplatz gefunden hatte. Ganz kurz mußte LuAnn daran denken, daß sie noch nie in einem Krankenhaus gewesen war. Der Geruch und die Atmosphäre waren ihr auf Anhieb unsympathisch. Wahrscheinlich lag es vor allem daran, daß sie hier war, um Charlie zu sehen.
Er lag in einem Privatzimmer. Vor der Tür stand ein Polizist aus Charlottesville Wache. LuAnn wollte sich an ihm vorbei ins Zimmer drängen.
»Moment mal, Ma’am. Keine Besucher«, sagte der Polizist, ein kräftig gebauter Mann Anfang Dreißig, und streckte den Arm aus.
LuAnn wollte sich blindwütig auf ihn stürzen, als Riggs herbeigelaufen kam.
»Hallo, Billy.«
Der Polizist drehte sich um. »Hallo, Matt. Wie geht’s?«
»Könnte besser sein. Die nächste Zeit werde ich wohl nicht mit dir Basketball spielen können.«
Billy betrachtete Matts Armschlinge. »Wie ist das passiert?«
»Ist ’ne lange Geschichte. Übrigens, der Mann da drinnen ist ihr Onkel.« Er nickte zu LuAnn.
Billy schaute verlegen
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