Die Versuchung
wartet draußen.« Er marschierte los.
»Ich möchte aber wissen, wie die Leute heißen, mit denen ich es zu tun habe«, sagte LuAnn hartnäckig.
Der Mann blickte sie leicht verärgert an, doch LuAnn entdeckte den Anflug eines Lächelns auf seinen Zügen. »Okay, Sie können mich Charlie nennen. Alles klar?«
»In Ordnung, Charlie. Ich nehme an, Sie arbeiten für Mr. Jackson. Benutzen Sie untereinander eigentlich Ihre richtigen Namen?«
Er antwortete nicht, sondern führte sie in Richtung Ausgang. »Soll ich das kleine Mädchen tragen? Die Tasche sieht schwer aus.«
»Ich schaff’ das schon, danke.« LuAnn zuckte zusammen, weil ein Schmerzstoß durch den verletzten Arm schoß.
»Sind Sie sicher?« fragte Charlie und betrachtete das Pflaster am Kinn. »Sie sehen aus, als wären Sie in eine Schlägerei geraten. Geht’s wirklich?«
Sie nickte. »Alles in Ordnung.«
Die beiden verließen den Bahnhof und gingen an der langen Menschenschlange vorbei, die an den Taxiständen wartete. Charlie hielt LuAnn die Tür einer großen Limousine auf. Beim Anblick der Luxuskarosse war sie für einen Moment sprachlos. Dann stieg sie ein.
Charlie nahm ihr gegenüber Platz. LuAnn betrachtete staunend die Innenausstattung.
»In ungefähr zwanzig Minuten sind wir im Hotel. Möchten Sie in der Zwischenzeit etwas essen oder trinken? Das Essen im Speisewagen ist grauenvoll«, sagte Charlie.
»Ich habe schon schlechter gegessen, aber ich muß zugeben, daß ich ein bißchen Hunger habe. Aber ich möchte Ihnen keine Umstände machen. Wegen mir müssen Sie nicht anhalten.«
Er betrachtete sie neugierig. »Wir brauchen nicht zu halten«, sagte er, öffnete den Kühlschrank und holte Soda, Bier, mehrere Sandwiches und Knabberzeug heraus. Er schob einen Riegel in der Holzverkleidung der Limousine zurück, und ein Tischbrett klappte heraus. Verblüfft beobachtete LuAnn, wie Charlie alles darauf abstellte und dann einen Teller, Gläser, Besteck und Servietten hervorzauberte. Seine großen Hände arbeiteten schnell und methodisch.
»Ich wußte, daß Sie das Baby mitbringen. Deshalb habe ich auch Milch, Flaschen und so ’n Zeug eingepackt. Im Hotel haben Sie alles, was Sie brauchen.«
LuAnn bereitete ein Fläschchen für Lisa zu. Dann hielt sie die Kleine im Arm und gab ihr mit einer Hand die Flasche, während sie mit der anderen ein Sandwich verschlang.
Charlie beobachtete, wie behutsam LuAnn mit ihrer Tochter umging. »Die Kleine ist niedlich. Wie heißt sie?«
»Lisa. Lisa Marie. Sie wissen schon, wie die Tochter von Elvis.«
»Für einen Fan des King sehen Sie ein bißchen zu jung aus.«
»Ich war auch kein Fan – ich meine, ich stehe nicht auf solche Musik. Aber meine Mom war ein großer Elvis-Fan. Ich habe es für sie getan.«
»Dafür ist sie Ihnen bestimmt dankbar, nehme ich an.«
»Weiß nicht. Ich hoffe es. Sie ist gestorben, ehe Lisa auf die Welt kam.«
»Oh, tut mir leid.« Charlie schwieg einen Moment. »Und was für Musik hören Sie gern?«
»Klassische. Eigentlich kenne ich keinen Komponisten und habe auch keine Ahnung von solcher Musik. Es gefällt mir, wie sie sich anhört. Und wie ich mich dabei fühle. So sauber und leicht, als würde ich irgendwo in einem See in den Bergen schwimmen, wo man bis auf den Grund schauen kann.«
Charlie lächelte. »So habe ich das nie gesehen. Ich stehe eher auf Jazz. Spiele sogar selbst ein bißchen Trompete. Abgesehen von New Orleans gibt’s nur in New York wirklich gute Jazz-Clubs. Dort spielt man, bis die Sonne aufgeht. Einige Clubs sind nicht weit weg vom Hotel.«
»In welches Hotel fahren wir?« fragte LuAnn.
»Ins Waldorf Astoria. Die ›Towers‹. Waren Sie schon mal in New York City?« Charlie nahm einen Schluck Club Soda und lehnte sich zurück. Dann knöpfte er sein Jackett auf.
LuAnn schüttelte den Kopf und schluckte einen Bissen vom Sandwich hinunter. »Eigentlich bin ich noch nie irgendwo anders gewesen als zu Hause.«
Charlie lachte leise. »Na prima, dann ist der Big Apple ein verdammt guter Startplatz.«
»Und wie ist das Hotel so?«
»Sehr schön. Erstklassig, besonders die ›Towers‹. Okay, es ist nicht das Plaza, aber was soll’s? Vielleicht wohnen Sie eines Tages im Plaza, wer weiß.« Er lachte und wischte sich den Mund mit der Serviette ab. LuAnn fiel auf, daß seine Finger außergewöhnlich groß und kräftig und die Knöchel knotenartig verdickt waren.
LuAnn schaute ihn nervös an, aß das Sandwich auf und nahm einen Schluck Cola. »Wissen
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