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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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Stunde wurde Lisa müde, und LuAnn legte sie in die Babytasche.
    Dann saß LuAnn im Sessel und versuchte sich zu entspannen. Sie war noch nie zuvor mit einem Zug gefahren. Das Dahingleiten und das rhythmische Pochen der Räder machten sie schläfrig. Sie konnte sich nicht genau erinnern, wann sie das letzte Mal geschlafen hatte. Langsam fielen ihr die Augen zu.
    Einige Stunden später wachte sie schlagartig auf. Es muß nach Mitternacht sein, dachte sie. Plötzlich wurde ihr bewußt, daß sie den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte. Kein Wunder, wenn man bedachte, was an diesem Tag alles geschehen war.
    LuAnn steckte den Kopf aus dem Abteil, sah den Schaffner und fragte ihn, ob es im Zug etwas zu essen gäbe. Der Mann schaute sie erstaunt an und blickte auf seine Uhr. »Der letzte Aufruf zum Abendessen war vor mehreren Stunden, Ma’am. Jetzt ist der Speisewagen geschlossen.«
    »Oh«, sagte LuAnn. Aber es war nicht das erste Mal, daß sie hungerte. Hauptsache, Lisa hatte gegessen.
    Doch als der Schaffner einen Blick auf Lisa geworfen hatte und sah, wie todmüde LuAnn war, lächelte er freundlich und bat sie, einen Moment zu warten. Zwanzig Minuten später brachte er ein Tablett mit Essen. Er ließ das untere Bett herab und deckte LuAnn diesen improvisierten Tisch. LuAnn gab ihm von ihrer Barschaft ein großzügiges Trinkgeld.
    Als der Schaffner gegangen war, verschlang sie gierig das Essen. Dann wischte sie sich die Hände ab und holte das Los hervor. Sie blickte zu Lisa. Das kleine Mädchen bewegte im Schlaf die Händchen und lächelte übers ganze Gesicht. Muß ein schöner Traum sein, dachte LuAnn und lächelte beim Anblick ihres Schätzchens.
    Ihre Züge wurden weich, als sie sich zu Lisa hinabbeugte und ihr leise ins Ohr flüsterte: »Bald kann Mom gut für dich sorgen, Baby. So gut, wie ich’s schon die ganze Zeit hätte tun sollen. Der Mann hat gesagt, wir können überallhin fahren und alles tun, was wir wollen.« Sie streichelte Lisas Kinn und die Bäckchen. »Wo möchtest du denn hin, mein Kleines? Du brauchst es Mom nur zu sagen, und schon geht es los. Wie hört sich das an? Hört sich das nicht gut an?«
    LuAnn verschloß die Abteiltür und legte Lisa aufs Bett, nachdem sie sich vergewissert hatte, daß die Kleine fest angeschnallt war. Dann legte auch sie sich aufs Bett und drehte sich auf die Seite, so daß sie ihre Tochter mit dem Körper schützte.
    Während der Zug New York entgegenrollte, starrte LuAnn durchs Fenster in die Dunkelheit und fragte sich voller gespannter Erwartung, was wohl als nächstes geschehen würde.

KAPITEL 10

    LuAnn und Lisa tauchten in die Menschenmenge der Penn Station ein. Der Zug war an mehreren Streckenabschnitten aufgehalten worden, so daß es jetzt fast halb vier Uhr nachmittags war.
    LuAnn hatte im ganzen Leben noch nie so viele Menschen an einem Ort gesehen. Benommen blickte sie sich um. Menschen und Gepäck sausten wie Schrotkugeln an ihr vorbei.
    Sie packte Lisas Babytasche fester, weil ihr die Warnung der Frau am Schalter in Atlanta einfiel. Noch immer tat der Arm ihr scheußlich weh, doch sie war sicher, daß sie jeden niederschlagen könnte, der ihr zu nahe käme. Sie blickte auf Lisa. Die Kleine fand alles dermaßen interessant, daß sie am liebsten aus der Tasche geklettert wäre.
    Langsam bewegte LuAnn sich voran. Sie hatte keine Ahnung, wie oder wo sie den Bahnhof verlassen sollte. Sie sah ein Hinweissschild: »Madison Square Gardens«. Vage erinnerte sie sich, daß sie vor mehreren Jahren im Fernsehen einen Boxkampf gesehen hatte, der von dort übertragen worden war. Jackson hatte gesagt, jemand würde sie abholen, doch LuAnn konnte sich nicht vorstellen, wie der Betreffende sie in diesem Chaos finden sollte.
    Sie zuckte zusammen, als der Mann sie streifte. Sie blickte in dunkelbraune Augen und einen silbergrauen Schnurrbart unter einer breiten, plattgeschlagenen Nase. Für einen Moment fragte LuAnn sich, ob das der Mann war, den sie in Madison Square Gardens hatte boxen sehen. Aber dann wurde ihr klar, daß er viel zu alt war. Er mußte mindestens Anfang Fünfzig sein. Er hatte breite Schultern, Blumenkohlohren und Narben im Gesicht – alles Merkmale eines Ex-Boxers.
    »Miss Tyler?« Die Stimme war tief, aber klar. »Mr. Jackson hat mich geschickt. Ich soll Sie abholen.«
    LuAnn nickte und streckte die Hand aus. »Nennen Sie mich LuAnn. Wie heißen Sie?«
    Der Mann zuckte zusammen. »Das spielt wirklich keine Rolle. Bitte, folgen Sie mir. Der Wagen

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