Die Versuchung
Schluck Kaffee, lehnte sich zurück und spielte mit der Serviette, während er LuAnn betrachtete.
Sie hielt eine Gabel fest umklammert. Für einen Moment hatte sie den wilden Wunsch, den Kerl damit umzubringen.
»Sie sind verrückt, Mister. Total verrückt.«
»Die Pressekonferenz ist morgen, LuAnn.«
»Was für eine Pressekonferenz?«
»Sie wissen schon. Die Show, wo Sie diesen großen, schönen Scheck hochhalten und lächelnd der enttäuschten Menge zuwinken.«
»Ich muß jetzt gehen.«
Blitzschnell schoß seine rechte Hand vor und packte ihren Arm. »Ich glaube nicht, daß Sie das Geld ausgeben können, wenn Sie im Knast sitzen.«
»Ich sagte, ich muß jetzt gehen.« Sie riß ihren Arm los und stand auf.
»Seien Sie nicht dumm, LuAnn. Ich habe gesehen, wie Sie das Los gekauft haben. Ich war auch bei der Ziehung. Ich habe das Lächeln auf Ihrem Gesicht gesehen, und wie Sie vor Begeisterung auf der Straße gejubelt haben. Ich war auch in der Lotteriezentrale, als Sie sich das Gewinnlos bestätigen ließen. Also versuchen Sie nicht, mich zu verarschen. Wenn Sie jetzt gehen, rufe ich als erstes den Sheriff in Ihrem Heimatkaff an und erzähle ihm alles, was ich gesehen habe. Und dann schicke ich ihm den Fetzen dieser Bluse. Sie haben keine Ahnung, was für raffinierte Geräte die Bullen heute in ihren Labors haben. Fingerabdrücke, Blutgruppe, DNA – das können die alles anhand dieses Fetzens bestimmen. Und dann werden sie die Stücke des Puzzles zusammensetzen. Und wenn ich den Cops dann noch erzähle, daß Sie gerade in der Lotterie gewonnen haben, buchtet man Sie wahrscheinlich ein, ehe Sie sich absetzen können. Dann ist Ihr schönes neues Leben gestorben. Sie können sich dann allenfalls noch leisten, Ihr Kind irgendwo gut unterzubringen, während Sie im Knast verfaulen.«
»Aber ich habe nichts Böses getan!«
»Nein, nur etwas selten Dämliches, LuAnn. Sie sind abgehauen. Und wenn jemand flieht, gehen die Bullen davon aus, daß er schuldig ist. So denken die nun mal. Die glauben, daß Sie bis zu Ihrem hübschen kleinen Arsch in der Sache drinstecken. Bis jetzt hat man Sie noch nicht aufgespürt, aber das ist nur eine Frage der Zeit. Ob die Bullen Ihnen in zehn Minuten im Genick sitzen oder erst in zehn Tagen – die Entscheidung liegt allein bei Ihnen. Wenn Sie sich für die zehn Minuten entscheiden, sind Sie so gut wie tot. Bei den zehn Tagen gehe ich davon aus, daß Sie für immer verschwinden können. Genau das habe ich übrigens auch vor. Ich will nur ein einziges Mal Geld von Ihnen. Das garantiere ich. Selbst wenn ich wollte, könnte ich so viel Knete nicht über Nacht ausgeben. Sie auch nicht. Gehen Sie auf meinen Vorschlag ein, gewinnen wir beide. Andernfalls verlieren Sie alles. Also, wie sieht’s aus?«
LuAnn hatte sich erhoben und stand für einen Moment wie erstarrt da. Dann setzte sie sich ganz langsam wieder.
»Kluges Mädchen.«
»Ich kann Ihnen nicht die Hälfte geben.«
Romanellos Gesicht verdüsterte sich. »Nicht so gierig, Lady.«
»Das hat mit Gier nichts zu tun. Ich kann Ihnen Geld geben. Ich weiß nur nicht genau, wieviel. Aber es ist eine Menge. Genug, daß Sie alles tun können, was Sie wollen.«
»Ich verstehe nicht …«, begann er.
»Das brauchen Sie auch nicht«, unterbrach LuAnn ihn und bemühte sich, Jacksons Redeweise nachzuahmen. »Aber wenn ich Ihnen Geld gebe, müssen Sie mir eine Frage beantworten. Und ich will die Wahrheit wissen, sonst können Sie von mir aus die Bullen anrufen. Das ist mir dann völlig egal.«
Er betrachtete sie mißtrauisch. »Wie lautet die Frage?«
LuAnn beugte sich über den Tisch vor. »Was haben Sie im Wohnwagen gemacht?« Ihre Stimme war leise, aber fest. »Sie sind nicht zufällig vorbeigekommen. Das ist so sicher, wie ich hier sitze.«
»Was spielt es denn für eine Rolle, warum ich dort war?« Er winkte lässig ab.
LuAnn packte ihn so blitzschnell wie eine zustoßende Klapperschlange am Handgelenk und hielt es fest. Romanello stöhnte, so hart war ihr Griff. Obwohl er groß und muskulös war, würde er alle Kraft aufbieten müssen, um diesen Griff zu sprengen. »Ich habe gesagt, ich verlange eine Antwort. Und ich rate Ihnen, Mister, bei der Wahrheit zu bleiben.«
»Ich verdiene meinen Lebensunterhalt damit …«, er lächelte und verbesserte sich, »… bis jetzt habe ich mir meinen Lebensunterhalt damit verdient, daß ich mich um die kleinen Probleme anderer Leute gekümmert habe.«
LuAnn lockerte den Griff nicht.
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