Die versunkene Welt
Alton leuchtete den Gefährten, bis Mythor endlich einen hellen Schein unter sich sah.
Sie mußten längst tief unter der Meeresoberfläche sein. Mythor kletterte weiter, ohne nach oben zu blicken, von wo er den schweren Atem der Amazonen und Gerreks Gezeter hörte. Der Lichtschein umfing ihn. Als er drei, vier Schritte unter sich den festen Boden sah, sprang er das letzte Stück.
Federnd kam er auf den Beinen auf und wirbelte herum.
Er stand in einem Raum mit kreisrunder Grundfläche und einer Größe von zehn Schritten von einer Wand zur anderen. Unter dem Schacht verbreiterte er sich. Einige Talgwachskerzen brannten auf dem steinigen Boden.
Nur ein Ausgang führte heraus – und dorthin, von wo das ohrenbetäubende Lärmen kam.
Mythor nahm das alles in einem einzigen Herzschlag in sich auf. Hinter ihm erschienen Scida und Kalisse, schließlich Gerrek.
»Dort hinein!« schrie Mythor und deutete mit dem Gläsernen Schwert auf die schwere Holztür des Ausgangs. Mit einem wuchtigen Tritt stieß er sie aus den Angeln. Splitternd schlug sie gegen eine Wand des Ganges, an dessen Ende noch helleres Licht blendete. Mythor stand für einen weiteren Herzschlag still und vermeinte, ringende Gestalten darin zu erkennen, tanzende, zuckende und sich am Boden windende Schatten.
Und das Geschrei und Gekreische drohte ihn um den Verstand zu bringen! Er rannte los, nur von dem einen Gedanken beseelt, es zum Verstummen zu bringen.
In einem riesigen, ebenfalls runden Gewölbe tobte ein Kampf, wie er ihn selten gesehen hatte. Die Menschen – grünhäutige Inselbewohner, aber auch solche, die es erst vor kurzem ins Nasse Grab verschlagen haben mußte – wehrten sich verzweifelt gegen die Yacub-Brut, aber sie hatten der Wildheit und Mordgier der Bestien nichts entgegenzusetzen, die hier schon Armlänge erreicht hatten und sich noch besessener gebärdeten wie jene unter dem Anemona-Götzenbild.
Eine Gruppe von Menschen hatte sich an einer Wand zusammengedrängt und war den Bestien hilflos ausgeliefert. Waffen hatten sie keine.
Mit einem Schrei stürzte sich Mythor ins Gewühl, dort wo es am dichtesten war. Hinter ihm drangen Scida und Kalisse ein, Scida mit beiden Schwertern um sich schlagend.
Mythor ließ Alton kreisen und klagen, während er den Unglücklichen zurief, sich alle an der Wand zu sammeln. Viele konnten sich nicht mehr vom Boden erheben.
Es war ein kurzer, doch um so heftigerer Kampf. Das Gläserne Schwert fuhr klagend und leuchtend in die Höhe, zuckte auf die Dämonenbrut herab.
Es ist kein wirkliches Leben! dachte Mythor. Es ist gestaltgewordene Finsternis!
Dann war es vorbei. Mit erloschenen Augen lagen die Kreaturen am Boden. Die Menschen an der Wand schienen noch nicht begreifen zu können, daß sie gerettet waren. Wie ein Wunder mußte es für sie sein. Fassungslos starrten sie auf die toten Bestien, dann, ehrfürchtig fast, auf die vier, die in allerletztem Augenblick erschienen waren.
Mythor wischte sich mit dem Arm den Schweiß von der Stirn. Scida und Kalisse schauten grimmig drein, und Gerrek pries sich schon wieder als Retter, Beschützer und Bewahrer.
»Bei Fronja«, entfuhr es Scida. »So groß sind sie also schon!«
Es war eine bittere Erkenntnis für sie alle. Nur handtellergroß waren die Yacuben in der Höhle unter der Ruine gewesen. Diese, die nun tot zu ihren Füßen lagen, hatten bereits die fünffache Größe erreicht.
Und damit einhergehend waren ihre Kraft und ihre Kampfeswut gewachsen. Jetzt, da alles vorüber war, fragte sich Mythor, wie er, die Amazonen und Gerrek ohne schlimme Verwundungen aus diesem Kampf hatten hervorgehen können.
Wo ist er jetzt? dachte Mythor. Wo ist Yacub in diesem Augenblick? Wie viele Nester hat er noch angelegt? War dies sein erstes, oder gab es andere, wo seine Nachkommen schon mannshoch gewachsen waren, wo ihre Haut wie Stein und sie bereits befähigt waren, ihre Gestalt zu verändern?
Er steckte das Schwert in die Scheide zurück, wischte sich abermals über die Stirn, atmete tief ein und wandte sich den hier Eingeschlossenen zu. Scheu wichen sie vor ihm zurück, als er zwei, drei Schritte auf sie zumachte.
»Ihr braucht keine Angst mehr zu haben«, sagte er mit erzwungener Ruhe. »Es ist vorbei.«
Eine der Gefangenen trat vor, richtete den Blick auf die von Yacubs Brut gerissenen Menschen und hob mit einem Ruck den Kopf.
Mythor erschauerte, als er in ihre fieberglänzenden, weit aufgerissenen Augen blickte.
»Wer seid ihr, daß ihr so reden
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