Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die versunkene Welt

Die versunkene Welt

Titel: Die versunkene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
Vom Netzwerk:
zusammenliefen. Ganz oben auf dem Tempel thronte eine zweite Götzenstatue von der Form einer riesigen Nacktschnecke mit einem Totenschädel. Nach allen vier Himmelsrichtungen hin war der Tempel offen, führten hohe, dunkle Torbögen in ihn hinein.
    Gudun stand auch ohne Sosonas Warnungen nicht der Sinn danach, diese finstere Stätte zu betreten. Sie widersprach nicht, als die Hexe sie, Gorma und Tallis beschwörend ermahnte, einen weiten Bogen darum zu machen.
    So schlichen sie sich, jede Deckung ausnutzend, an den Ballon heran, obwohl Gudun am liebsten gerannt wäre. Vergeblich suchte sie nach Zaem und Burra. Alles lag still. Hier schien nichts zu leben.
    Dann endlich hatten sie ihr Ziel erreicht. Ehrfürchtig fast standen die Dienerinnen der Zaubermutter unter deren mächtigem Gefährt und sahen daran hinauf. Der Ballon schien unversehrt, doch beim zweiten Hinsehen entdeckte Gudun Spuren von Ausbesserungen. Die Verschollenen mußten also noch die Zeit gehabt haben, ihn wieder flugtauglich zu machen, bevor…
    »Wo sind sie?« fragte Gorma flüsternd, wobei sie Sosona anblickte, als erhoffte sie sich von ihr die Antwort.
    Die Hexe trat an eines der vier starken Seile heran, deren Enden um Felsblöcke geschlungen waren und den Regenbogenballon hielten, und ließ ihre Hand langsam daran nach oben gleiten, bis sie die Gondel berührte.
    Sie hatte die Augen geschlossen.
    »Ich vermag die fremde Magie nicht zu durchdringen«, flüsterte sie. »Alles an diesem Ort ist erfüllt von ihr. Sie ist im Fels, in der Luft – vielleicht schon in uns…«
    »Unsinn!« zischte Gorma. Beim Klang ihrer Stimme warf Gudun unwillkürlich einen Blick zum Tempel hinüber, als vermöchte selbst ein Flüstern jene Mächte auf den Plan zu rufen, die dort schlummern mochten.
    »Ich spüre nur eines«, flüsterte Sosona weiter. »Zaem und Burra sind nicht an diesem Ort. Wir kamen zu spät.«
    »Leben sie?« fragte Gorma eindringlich.
    Sosona öffnete die Lippen zum Sprechen, doch bevor sie auch nur ein einziges Wort sagen konnte, stieß Tallis einen erstickten Schrei aus.
    Im ihnen zugewandten Tempeleingang stand er. Nicht länger war sein mächtiger Körper unförmig und schwach. Er stand auf seinen gewaltigen Säulenbeinen, vollführte Drohgebärden und zertrümmerte mit einem einzigen Schlag eines seiner Arme einen Teil des Torbogens.
    »Yacub!« stieß Gorma entsetzt hervor, und sie wußte, daß diesmal alles anders sein würde als in der Grotte.
    » Yacub! «schallte es schaurig durch das Tal. »Yacub!«
    Und dann kam er. Wie ein Sturmwind schoß er heran, um Rache zu nehmen an jenen, die einen Teil seiner Brut vernichtet hatten.

9.
    Das fürchterliche Klagen schien von überall zugleich zu kommen. Die Verfemten preßten die Hände auf die Ohren, doch in ihren Köpfen hallte es weiter. Ganze Dämonenarmeen schienen im Kampf zu liegen. Und dazu kam das Kreischen der Entersegler, das Spritzen des Wassers zwischen den Klippen, von denen man nichts sah.
    Das Fischboot war ein Spielball der aufgewühlten See. Die Nebelbank, eben noch eine weißlich und silbern leuchtende Wolke um die Insel herum, schluckte alles Licht, und unwillkürlich fühlte sich Mythor an seine Erlebnisse tief in der Düster- und in der Schattenzone selbst erinnert. Er sah die Hand nicht vor den Augen.
    Kein Licht, nur die Schreie der Verfemten, das Schlagen gewaltiger Peitschenschwingen auf Wasser und das Kreischen von Enterseglern. Nur die Tritonen konnten es sein, die sich ihnen entgegenwarfen und sie vom Boot fernhielten, so wie es auch nur den vier Wasserbewohnern an den Seilen zu verdanken schien, daß das Boot einen sicheren Weg durch diese Zone des Schreckens fand.
    Dann endlich riß die Schwärze auf, und eine in weißes Licht gebadete, zerklüftete Felsküste schälte sich aus den letzten, wallenden Nebeln. Mythor hielt sich an der Heckflosse fest und stand auf dem Bootsrand, um über den Fischkopfbug hinweg sehen zu können. Vier geschuppte Leiber tauchten kurz auf und glitten mit ungeheurer Geschmeidigkeit ins Wasser zurück.
    Noch war das Klagen in den Köpfen der Gefährten, und nichts hielt sie mehr im Boot, als sich dessen Kiel knirschend auf Felsen schob. Selbst Gerrek brachte es fertig, ohne viel Geschrei ins knietiefe Wasser zu springen und an Land zu laufen. Mythor, Kalisse und Scida folgten ihm.
    Die Verfemten aber wagten erst, ihre Plätze zu verlassen, als Dorgele ihnen ein Zeichen gab. Es mochte ihr zum Triumph gereichen, die vier durchnäßten

Weitere Kostenlose Bücher