Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
Herzogtum erbte.
Während der letzten Minuten war dies sogar noch wichtiger geworden. Denn er hatte den Moment beobachtet, in dem Jocks Blick Ginny gefunden hatte. Er hatte das Aufleuchten in seinen Augen gesehen, die plötzliche Freude auf seinem Gesicht, und da hatte er ohne die Spur eines Zweifels gewusst, dass Jock in sie verliebt war.
Er begriff, dass Jock der Mann sein musste, den Ginny vor Tagen als ihr Ideal beschrieben hatte. Ein ehrenwerter, sogar edler junger Mann. Kühn? Das konnte Jimnicht beurteilen und genauso wenig wusste er, ob Jock romantisch war. Aber ›pflichtbewusst, tüchtig und gewissenhaft‹? Jock hatte diese Charaktereigenschaften schon als Junge besessen und musste als Mann geradezu ein Paradebeispiel dieser Tugenden sein.
Jock musste der Grund sein, weshalb sie ihn zurückgewiesen hatte, und wenn Jock jetzt einfach den Mund hielt, konnte er beides haben, Ginny und das Herzogtum. Und Ginny konnte den Mann haben, den sie liebte, und dazu das Leben, das er ihr gerne geboten hätte.
Doch sein Halbbruder hatte seine Warnung entweder nicht begriffen, oder es war ihm egal, denn er wandte sich an die Umstehenden. »Es ist ganz und gar kein Scherz. Seit beinahe zwei Jahren suche ich nun schon nach Bernard.«
»Bernard?«, echote Pomfrey. »Nun, da haben Sie es. Es scheint sich lediglich um eine Verwechslung zu handeln. Dieser Mann heißt James. James Owens.«
»Genau«, bestätigte Jim verzweifelt. »Nur eine Verwechslung. Es tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, Mr ...«
Jock klopfte Jim auf die Schulter. »Es ist eine Verwechslung, Colonel. Erlauben Sie mir, Ihnen meinen Halbbruder vorzustellen, Bernard James Owens Tynesborough, Duke of Avandale.« Er wandte sich an Jim. »Vertrau mir. Ich erkläre dir alles später.«
Die erstaunten Mienen der anderen bemerkte Jim kaum, er sah nur wie betäubt Jock an. All diese rastlosen Jahre, all die Jahre, die er als Namenloser am Rande derGesellschaft verbracht hatte, all die Jahre, in denen er stets darauf geachtet hatte, nie in irgendetwas zu gut zu sein, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, all die Jahre, in denen er sorgsam sämtliche Adelsprivilegien gemieden hatte, um nicht von irgendeinem aristokratischen Schwachkopf erkannt zu werden ... All das war umsonst gewesen, hinweggefegt von einer Zufallsbegegnung mit seinem Halbbruder.
Die Chancen, dass die Nachricht, er sei noch am Leben, nicht mehr rechtzeitig in England eintraf und Althea ihn trotzdem amtlich für tot erklären ließ, standen zwar nicht schlecht, doch die Welt würde sehr bald wissen, dass es nicht stimmte. Und selbst wenn Jock Avandale dennoch erbte, würde er nie den Titel führen können. Es gab einfach zu viele Zeugen dafür, dass Bernard, Duke of Avandale, der lange als tot galt, noch am Leben war. Und die Geschichte gab einfach ein zu gutes Klatschthema ab. Armer Jock. Mit nur ein paar Worten hatte er ein ganzes Herzogtum aufgegeben, das in nur wenigen Monaten ihm gehört hätte.
Und was war mit Jims Onkel Youngblood? Wenn Althea zu Ohren kam, dass er noch lebte, würde sie das Land, das seit einem Jahrhundert zur Youngblood-Ranch gehört hatte, niemals zurückgeben. Vermutlich würde sie es aus schierer Bosheit an einen rivalisierenden Ranchbesitzer verkaufen.
Er hätte heulen können.
Sein unsteter Blick fiel auf Ginny, die reglos an der Seite des alten Mannes stand. Merkwürdigerweise fühlte er denDrang, ihr alles zu erklären, sich bei ihr zu entschuldigen. Er wollte ihr erklären, dass er nur das Richtige hatte tun wollen, dass seine Absichten ehrenhaft gewesen waren, dass er es versucht hatte – er hatte es so sehr versucht.
»Das ist doch absurd«, platzte Pomfrey heraus. »Er ist Amerikaner. Oder handelt es sich hier um eine dieser verwickelten Erbschaftsgeschichten, in der irgendein achtzehnter Cousin fünften Grades plötzlich einen Adelstitel erbt?«
»Halbamerikaner«, verbesserte ihn Jock. »Und so ist es ganz und gar nicht. Seine Mutter war die erste Frau meines Vaters. Sie kehrte auf die Ranch ihres Vaters nach Amerika zurück, als Jim noch in den Windeln steckte. Als sie dann ein paar Jahre später starb, blieb Bernard in Amerika bei seinem Onkel. Avandale heiratete ein weiteres Mal und das Ergebnis dieses Bundes bin ich. Nachdem schließlich auch mein Vater starb, kam Bernard wieder nach England und erbte den Titel. Und mich, was, Bernard?«, endete er mit einem Lächeln.
Welch eine schlichte Zusammenfassung für eine Geschichte, die
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