Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
Treffen gesprochen.«
Philippa ließ den Kopf sinken.
Ich hatte zu Beginn selbst den Kopf gesenkt und ihr nur mit halbem Ohr zugehört, doch im Verlauf ihrer Ausführung unwillkürlich den Blick gehoben, um sie anzusehen. Sie mochte sich für diese Behandlung eines Kinds zu Recht Vorwürfe machen, doch Isabella hat Schlimmeres getan, weit Schlimmeres. Meine Verärgerung über Philippa hielt nicht lange an. Sie war zu krank und in vielerlei Hinsicht auch zu bewunderungswürdig für mich, um sie zu hassen. Allerdings empfand ich beim Hören dieser traurigen Geschichte von erwachsenen Menschen, die sich vor dem unehelichen Kind einer ehemaligen Königin so sehr fürchteten, dass sie die Familie meines Ehemanns als ihr Schutzschild benutzten, zugleich auch kaum Mitleid in meinem Herzen.
»Wie starben Janyn und Tommasa? Wurden sie ermordet, weil sie ihr Schweigegelübde nicht brechen wollten?«
»Ja. Tommasa musste zusehen, wie ihr Sohn gefoltert und schließlich ermordet wurde. Ihre Entführer ahnten jedoch nichts von ihrem schwachen Herzen. Sie starb bei den ersten Versuchen, sie zum Reden zu bringen. Wahrscheinlich zu ihrem Glück.«
Ich presste die Hände auf meinen Bauch, obwohl sich eigentlich meine Brust anfühlte, als würde sie zerdrückt.
»Ich erkenne an Eurem Blick, warum mein Gemahl nicht derjenige sein wollte, der Euch dies erzählt«, sagte Philippa. »Ihr verurteilt unser Tun.«
Es gelang mir, die Bilder in meinem Innern von Janyns Folterung und Tommasas Qualen lange genug anzuhalten, um ihr zu antworten. »Ich bin keine Heilige, Eure Hoheit. Ich habe so viel verloren. Und warum? Weil die mächtigste Familie im Königreich Angst vor einem kleinen Jungen hatte. Eine Heilige könnte hierin Gottes Willen erkennen. Ich nicht. Mein geliebter Mann gefoltert. Meine sanftmütige Schwiegermutter zum Zusehen gezwungen. Ach, wäre Isabellas Bastard doch bloß ein paar Jahre früher gestorben! «
Ich trank meinen Becher aus und schenkte mir noch Wein nach. Trotz meiner Wut bediente ich auch Philippa mit Wein und Essen. Das Aufstehen und die Bewegung taten mir gut. Obschon sie es als Königin für selbstverständlich halten konnte, dass ich meinen Pflichten nachkam, bedankte sie sich bei mir. Auf ihrem Gesicht lag dabei ein offener, liebevoller Ausdruck. Irgendetwas an diesem kurzen Wortwechsel rettete mich davor, in einen gefährlichen Leichtsinn abzustürzen, und plötzlich erinnerte ich mich wieder der Hochachtung, die dieser Frau gebührte. Wie groß ihre Verantwortung für meinen Verlust auch immer sein mochte, ich war ihre Dienstmagd, hing in fast jeder Beziehung von ihrem Wohlwollen ab, und bislang hatte sie mich höchst edelmütig behandelt. Außerdem war ich mir stets auf schmerzhafte Weise darüber im Klaren, dass ich in den Augen der meisten Menschen immer nur die Schänderin ihrer Ehe bleiben würde.
»Eure Königliche Hoheit, ich bitte Euch, vergebt mir meinen
Wutausbruch. Ihr wart immer gut zu mir und meiner Tochter. Ich stehe tief in Eurer Schuld.«
Sie sah mir direkt in die Augen und meinte: »Ihr mögt viel verloren haben, doch bedenkt, was Ihr gewonnen habt.« Sie legte sich die Fingerspitzen auf die Stirn, da sie offenbar Kopfschmerzen hatte, ging jedoch nicht weiter auf ihr Unwohlsein ein, sondern fuhr fort: »Dessen ungeachtet verdient Ihr eine Entschuldigung. Ich hoffe, dass Ihr uns eines Tages werdet vergeben können.«
Ich fiel vor ihr auf die Knie. Sie legte mir die Hand auf den Kopf.
»Lasst Eintracht zwischen uns herrschen.« Sie drängte mich, einen kleinen Imbiss zu nehmen. »Ich habe nur noch einige wenige Sätze zu sagen. Dann seid Ihr bis morgen entlassen. « Sie sprach nur noch stockend. Regelmäßig musste sie Pausen einlegen, um nach Luft zu schnappen. Der körperliche Verfall ließ alles für sie zur Last werden, selbst das Atmen.
»Eure Hoheit«, flüsterte ich und stand auf. Ich verspürte zwar keinen Hunger, viertelte aber dennoch einen blanchierten Winterapfel.
Schweigend saßen wir eine Weile zusammen und taten beide so, als würden wir essen, stocherten jedoch nur abwesend in dem Essen in unseren Schalen. Das Geräusch von Philippas qualvollem Atmen rief sowohl Scham als auch Erleichterung in mir wach. Scham darüber, dass ich ihr den Platz im Ehebett streitig machte, und Erleichterung über die Gewissheit, dass es ihr tatsächlich kein Vergnügen mehr bereiten konnte, Edward beizuliegen. Ich hoffte nur, der zweite Punkt würde den ersten für sie aufwiegen. Doch
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