Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
was, wenn er mich gar nicht länger begehrte? Was, wenn der König sich seiner Verpflichtung mir gegenüber enthoben fühlte, jetzt, da ich mich ungezwungen bewegen und das Geheimnis über
den verborgenen Verwandten nicht länger als Drohung gegen ihn verwendet werden konnte? Ich würde frei sein, doch mit gebrochenem Herzen.
Irgendwann gab Philippa es auf, so zu tun, als würde sie essen. »Ihr habt Euch als geschickte und einfallsreiche Näherin erwiesen, der es immer wieder gelungen ist, den Verfall meines Körpers zu verbergen und mich vor öffentlichen Demütigungen zu schützen. Zudem habt Ihr Euch im Rahmen eines verwirrenden und an Mühen reichen Arrangements als verlässliche und standhafte Gefährtin bewährt. Nur wenige hätten dies alles vollbracht. Als Zeichen meiner Dankbarkeit möchte ich Euch unnötige Pein ersparen, indem ich ganz offen zu Euch spreche.«
Mich schauderte, während ich ihren abgehackten Sätzen lauschte. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie mir unnötige Pein ersparen konnte. Und worin bestand die nötige Pein? Sie hatte eine Pause eingelegt, um etwas Wein zu trinken.
»Eure Hoheit, Ihr dürft Euch nicht überanstrengen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht mehr tun, als ich möchte, Alice.«
Obwohl ich wusste, dass ich bereits genug getrunken hatte, schenkte ich mir noch ein wenig Wein ein, um etwas zu tun zu haben.
»Die Liebe zwischen Eheleuten ändert sich im Laufe der Zeit«, hob Philippa wieder an. »Notgedrungen. Ihr habt mit Janyn nicht lange genug zusammengelebt, um dies selbst zu erfahren.« Ein trauriges, warmes Lächeln trat in ihr Gesicht. »Ein Jahr vor Eurer Hochzeit habe ich mein letztes Kind zur Welt gebracht, Thomas. Ich hoffte inständig, dass er mein letztes bliebe, denn eine weitere Schwangerschaft würde mich in den Wahnsinn treiben, glaubte ich. So viele Monate voller Beschwerden, vorher und nachher. Ich habe ganz selbstsüchtig dafür gebetet, Gott möge meinen Monatsfluss
beenden, damit ich es für den Rest meiner Tage ein wenig behaglicher haben würde.« Sie bekreuzigte sich. »Das nächste Kind, das ich empfing, vermochte mein Schoß nicht zu halten, und ich verlor es. Dann kam der Sturz. Damit war es mit diesem Teil meiner Ehe vorbei. Gott wirkt oft in unbefriedigender Weise.« Ein bitteres Auflachen, dann fuhr sie fort: »Ihr nehmt mir nichts fort, Alice. Er liebt mich in jeder noch möglichen Form.«
Sie lehnte ihren Kopf einen Moment an den Stuhl zurück und schloss die Augen. »Einen König zu lieben, Alice, ähnelt einem schwindelerregenden Tanz, der einen ständig auf ihn zu und wieder von ihm fortwirbelt.« Nach einem tiefen Seufzer sagte sie mit gepresster Stimme: »Ihr müsst jetzt die Diener rufen, damit sie mir in mein Schlafgemach helfen, und Ihr habt den Rest des Tages bis morgen früh frei.«
»Eure Hoheit, habt Dank dafür, dass ich mit Dom Francisco sprechen durfte, und …«
»Geht jetzt, Alice. Wir haben genug gesagt.«
Wie immer, wenn ich nicht wusste, was ich mit meinen wild durcheinanderjagenden Empfindungen anfangen sollte, flüchtete ich mich in einen Ausritt mit Melisende. Gwen bestand darauf, mich zu begleiten. Wir verbrachten den Großteil des verbliebenen Nachmittags zu Pferde. Beim Reiten öffnete ich mein Herz und meine Seele den heftigen Gefühlen, die in meinen Eingeweiden brodelten, und erlaubte mir, meine Trauer zu durchleben, das Grauen von Janyns und Tommasas letzten Stunden und den Zorn, der sich ob all dieser Bilder in mir angestaut hatte. Ich war wütend über die Art, wie Isabella und Edward meine Familie benutzt hatten, wütend auf Edward, weil er nicht den Mut aufgebracht hatte, selbst anwesend zu sein, als ich die Wahrheit erfuhr, und wütend auch über seinen herzlosen Rückzug in das
Jagdschlösschen. Obwohl Melisende es gewöhnt war, mich auch zu tragen, wenn ich weinte oder in den Wind schrie, gerieten meine Ausbrüche an diesem Tag ein paar Mal so wild, dass sie scheute und mich wieder zur Vernunft brachte. Dann verlangsamte ich das Tempo, sammelte mich und beruhigte sie. Auf diese Weise absolvierten wir so manche Runde abwechselnd in Wildheit oder in erschöpfter Muße.
Als der Pferdeknecht erklärte, dass mein Pferd nun unbedingt Ruhe benötige, kehrten wir zu den Stallungen zurück. Anschließend gingen Gwen und ich durch den Park zum Fluss hinunter, und hier offenbarte ich meiner von Sorgen gemarterten Vertrauten endlich, was der Priester und Queen Philippa mir erzählt hatten.
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