Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
bereitete ihr Schwierigkeiten. Um zu verbergen, wie weit vornübergebeugt sie ging, kürzte ich den vorderen Saum ihres Kleids, und ihren Kopfputz versetzten wir ein kleines Stück nach hinten. Die würdevolle und vornehme Haltung, mit der sie ihre Qualen ertrug, war beeindruckend.
Sie und Edward verbrachten fast den gesamten Tag zurückgezogen mit Dom Francisco. Anschließend versammelten sie alle Hofbediensteten, die von ihren Aufgaben
abkömmlich waren, um mit ihnen gemeinsam in der Kapelle des Königs zu beten. Es schien die Trauermesse für einen Mann der Kirche zu sein, aber für wen genau wurde uns nicht gesagt. Edward kniete mit gesenktem Kopf und bedeckte häufig mit einer Hand seine Augen. Philippa wirkte in ihrer Andacht zurückhaltend und gottesfürchtig wie immer und machte nicht den Eindruck, von dem Geschehnis persönlich besonders betroffen zu sein. Wer auch immer gestorben sein mochte, er wurde vor allem von Edward betrauert. Der Priester wies darauf hin, dass der Verstorbene von königlichem Geblüt war. Im Hofstaat des Königs wie der Königin sorgte diese Bemerkung für einige Aufregung. Noch wesentlich größer war jedoch die Verwirrung, in die sie mich stürzte, denn natürlich fragte ich mich sofort, ob es sich bei dem Verstorbenen um jene Person handelte, die Isabella so überaus geschätzt hatte und um deretwillen so viele Perrers hatten sterben müssen, um jenen Mann in Italien, den Edward einst in seine Reisegesellschaft aufgenommen hatte und von dem es hieß, es sei kein Geringerer als sein entthronter Vater gewesen. In diesem Fall stünde es mir jetzt vielleicht endlich frei, den Hof zu verlassen.
Ausgerechnet jetzt, da ich selbst gar nicht länger wünschte, vom Hof und damit von Edward getrennt zu sein.
Gerne hätte ich ihn getröstet. Noch nie hatte ich Edward so verzweifelt erlebt. Auch verlangte es mich danach, ihn zu fragen, ob er mir nun das Geheimnis verraten könne, das mein Eheglück zerstört hatte. Es würde Janyn zwar nicht zurückbringen, aber zumindest könnte ich dann womöglich begreifen, warum er gestorben war. Als Edward beim Verlassen der Kapelle an mir vorbeikam, bemerkte er die Ranke aus Staubperlen an meinem Ärmel und hob den Kopf, um mir ein schwaches Lächeln zu schenken. Ich legte mir
er da bereits an mir vorbei.
An diesem Abend wurde ich weder vom König noch von der Königin gerufen. Ich glaubte schon, mich vielleicht geirrt zu haben, und dass die Nachricht gar nichts mit meiner Familie zu tun gehabt hatte. Andererseits mussten Philippa und Edward doch wissen, dass ich ins Grübeln geraten würde, und sie hätten mir ein paar beruhigende Worte, eine kurze Erklärung zukommen lassen können. Ich schlief schlecht, träumte fiebrig und unverständlich. Diverse Male wachte ich in der Nacht mit hämmerndem Herzen auf. Schließlich gab ich die Schlafversuche auf und kniete mich neben das Bett, um zu beten. Aber mein Kopf fabrizierte nur alptraumhafte Bilder von Janyns blutendem Körper, seinen Qualen und seinem Tod.
Morgens sah ich den engsten Kreis von Hofrittern und Bedienten des Königs im Schlosshof, wo Säumer Packpferde beluden und einige bereits beladene Karren standen. Beim Ankleiden teilte Philippa uns mit, dass Edward zu einem seiner Jagdhäuser aufbrach. Unbeholfen hantierten meine Finger an ihren Knöpfen, da mir Tränen in den Augen schwammen. Ich hatte gehofft, er würde nach mir schicken, würde mir erlauben, ihn zu trösten – und mir vielleicht erzählen, wer gestorben war. Seine wortlose Abreise traf mich ins Mark. Ich fürchtete, er würde diese Gelegenheit dazu nutzen, mich loszuwerden. Gerade hatte ich beschlossen, alles daranzusetzen, mir Edwards Liebe zu erhalten, da zog er sich zurück.
»Er braucht Ruhe und den Trost des Gebets«, erklärte Philippa. »Wie jeder von uns.«
Ich brauche Antworten!, schrie ich stumm. Herrgott, bitte erzählt mir doch alles, damit ich diese entsetzliche Ungewissheit endlich überwinden kann. Aber ich sagte nichts,
denn ich erkannte an ihrem aufgedunsenen Gesicht, dass die Königin in der Nacht zusätzliche Medizin genommen hatte. Was auch immer sie erfahren hatte, musste sie also doch erheblich geschwächt haben. Dennoch bestand sie darauf, angekleidet zu werden und die Morgenandacht zu besuchen. Nach einem schlichten Mittagsmahl wies Philippa mich an, sie zu begleiten, da sie sich noch einmal mit dem italienischen Priester unterhalten wollte.
Vielleicht würde ich ja jetzt endlich etwas erfahren. Meine
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