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Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)

Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Campion
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förderte jene Seite an mir, die ansonsten unterdrückt wurde, und dafür war ich ihm dankbar.
    Vielleicht zu dankbar. Eines Morgens konnte ich die Verwüstungen der Tränen nicht verbergen, die ich wegen eines Traums vergossen hatte, in dem ich mich in eine Kletterpflanze verwandelt hatte, um nach Janyn zu suchen. In diesem Traum drängte ich das Geißblatt, zu dem ich geworden war, sich von Ost nach West auszubreiten mit Ranken, die von Nord bis Süd reichten. Angeregt wurde sein Wuchs durch meine Tränen, die seine Wurzeln tränkten. Als wir einen Moment allein waren, machte der König eine Bemerkung über die hübsche Art, wie mein Haar unter der grünen Kappe hervorquoll, und sagte, dass die frische Farbe auf meinen Wangen schon fast alle Zeichen meiner Trauer ausgelöscht habe. Ich ließ mich dazu hinreißen, ihm von meinem Traum zu erzählen.
    Er erklärte, von der Standhaftigkeit, die aus diesem Traum sprach, tief ins Herz getroffen worden zu sein. »Noch nie habe ich ein Zeichen solch inniger Treue erlebt. Wie hat Euer Gemahl nur eine derart unerschütterliche Liebe in Euch wecken können, Mistress Alice? Ich muss unbedingt wissen, wie mir so etwas gelingen könnte.« Seine tiefe Stimme umschmeichelte mich, und sein Blick lag gebannt auf mir, als würde er es wirklich gerne erfahren.
    Ich wünschte, meine Zunge im Zaum gehalten oder besser noch den Jagdausflug an diesem Morgen ganz gemieden zu haben. So jedoch hatte ich es zugelassen, erneut seinem Zauber zu verfallen, genau wie damals in Hertford.

WEIHNACHTEN 1360
    Zu Weihnachten wurde in diesem Jahr in Woodstock Hof gehalten, wo neben König Johann von Frankreich auch die meisten Söhne und Töchter von King Edward und Queen
Philippa sowie deren Familien anwesend waren. Die Zahl der Gäste war so groß, dass die Bedienten überwiegend in hastig errichteten ›Häusern‹ unterkommen mussten, die eher einfachen Holzbuden glichen, und andere, vor allem Wachleute und Gesinde, in Kriegszelten. Ich hatte das Glück, hoch genug in Queen Philippas Gunst zu stehen, und gehörte zu dem halben Dutzend Frauen, die in ihrem Schlafgemach im Schloss nächtigen durften. Dieses Arrangement war wesentlich angenehmer als die übliche Unterbringung in einem Schlafsaal zusammen mit den anderen Hofdamen. So herrschte wenigstens in meiner Kammer während dieser turbulenten Weihnachtszeit eine gewisse Ruhe, die ich sehr zu schätzen wusste. Janyn war jetzt seit fast vier Monaten fort, und noch immer grübelte ich, rief mir alles, was er gesagt und getan hatte, in Erinnerung, und war in dieser Stimmung leicht aus der Fassung zu bringen. Außerdem vermisste ich Bella. Queen Joan hatte es aus Trauer um ihre gescheiterte Ehe vorgezogen, den Feierlichkeiten fernzubleiben. Zumindest ersparte mir das die schmerzliche Pflicht, Bella das Verschwinden ihres Vaters zu erklären. Ich schrieb etliche Briefe, brachte es jedoch noch nicht übers Herz, ihr etwas über ihren Verlust zu erzählen.
    Am Weihnachtstag betrat King Edward das Gemach seiner Frau, um die Königin vor den Feierlichkeiten im großen Saal noch zur Messe zu geleiten, und ich hätte fast aufgeschrien, als ich das Muster auf seinem prächtigen Umhang sah. Zwei Geißblattranken aus Gold- und Seidenfäden waren darauf gestickt, die sich über die schwarze Atlasseide wanden, zudem in Goldbuchstaben das Motto ›Suchend wie das Geißblatt‹.
    Es war gewöhnlich der König, der die Devisen für Turniere, Wettstreite und Feiern entwarf, da er sie gerne aus moralischen Sinnsprüchen oder der Sagenwelt um den frühzeitlichen
englischen König Artus ableitete. Daher verwunderte es mich nicht, ihn einen Umhang mit einem Motto tragen zu sehen. Doch dieses hatte er von mir übernommen, und noch dazu ohne es der Königin mitzuteilen, damit sie etwas dazu Passendes hätte auswählen können.
    Als er meinen Blick auf sich spürte, formte er mit den Lippen lautlos die Worte »Eure Anregung« und sah dabei an seinem Umhang herab.
    Ich hoffte zwar, der wenige Wein, den ich getrunken hatte, sei mir zu Kopfe gestiegen, aber es schien alles darauf hinzudeuten, dass seine Gefälligkeiten mir gegenüber nicht länger ohne Hintergedanken waren. Sein Rankenumhang sollte mir daher besser als Warnung dienen. Ich betete, dass ich an Einbildung litt und er in dem Muster lediglich ein Symbol für seine bekanntermaßen glückliche, mit so vielen Nachkommen gesegnete Ehe mit Philippa gesehen hatte sowie vielleicht noch eine kleine Verneigung vor meiner

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