Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
wären, wenn die Geschichte denn von einer dir bekannten Person handeln würde. Aber es ist Dichtung, Alice, ein Beispiel für eine wankelmütige Frau. Ein Symbol, verstehst du?«
Meine Hoffnung sank. »Nein, Geoffrey, so platt ist die Sache keineswegs. Sie war ja nicht aus freien Stücken wankelmütig, und ich kann nicht glauben, dass du das nicht siehst. Und die Menschen entnehmen den Geschichten solche Urteile und verurteilen dann gleichermaßen die Menschen in ihrer Umgebung. Ich habe dem König ohne jeden Hintergedanken von meinem Traum erzählt, dann greift er mein Sinnbild auf, und schon werde ich bezichtigt, ihm nachzustellen. «
»Oh, doch. Ja, ich verstehe schon.«
Er wirkte so niedergeschlagen, ich hätte ihn beinahe getröstet,
hielt mich im letzten Moment aber von einer solchen Dummheit ab.
»Ich werde verurteilt, Geoffrey.«
»Das ist wahr. Und ich wage zu behaupten, dass nur selten in deiner Gegenwart darüber gesprochen wird. Du hast gar keine Ahnung, was die Höflinge über dich erzählen.«
»Ich wollte nur eine kleine Sprosse im großen Mühlrad dieses Hofstaates sein und keine Aufmerksamkeit auf mich lenken. Doch noch die winzigste Vergnügung, die ich mir gönne, wird bemerkt. Ich kann die Missbilligung in ihren Blicken sehen. Was soll ich tun? Was hätte Criseyde tun können?«
»Du kannst den König nicht wegen der unüberlegten Verwendung deines Zeichens zur Rede stellen.«
»Natürlich nicht. Aber, Geoffrey, willst du damit sagen, sie wissen darüber Bescheid? Erzähl mir, was du gehört hast.«
»Sie glauben auf jeden Fall bereits, dass du ihm zu gefallen suchst, Alice. Ihnen entgeht kein Blick, den ihr wechselt, kein neues Kleidungsstück, das du anhast, und ob du die gleichen Farben trägst wie der König.«
»Wie kann ich mich gegen solche Sinnestäuschungen, solche Lügen schützen?«
»Das kannst du nicht, Alice. Der Hof ist ein gefährlicher Ort für jeden, der Neid erweckt.«
Eine Kaufmannstochter, die Neid erweckt? Sie waren alle wahnsinnig. Ich musste aufhören damit, in Gesellschaft des Königs auszureiten. »Ich bin so unbedarft, was das Leben am Hof angeht. Mein lieber Geoffrey, du musst in Zukunft deine Ohren für mich offenhalten. Versprichst du, mir alles zu erzählen, was gesagt wird?«
Armer Geoffrey. Das Unbehagen stand ihm klar und deutlich ins ausdrucksstarke Gesicht geschrieben.
»Ich verspreche es, aber nur, solange du mich nicht für
meine Beobachtungen zur Rechenschaft ziehst. Vergiss nie, dass ich dir gegenüber nur wiederhole, was ich gehört habe, und dass ich selbst nicht eins der Klatschmäuler bin.«
»Du musst mich nur daran erinnern, und ich werde sofort alle Hunde zurückrufen, die ich auf dich hetzen könnte«, erklärte ich.
Geoffrey lächelte, küsste meine Hand und wurde dann ernst. »Hast du irgendetwas Neues von Janyn gehört?«
Ich schüttelte den Kopf. Obwohl wir uns so leise unterhielten und die Musik, das Singen und die Gespräche um uns herum laut genug waren, alles andere zu übertönen, wagte ich nicht, in der Öffentlichkeit von Janyn zu reden. Selbst der Zuspruch, den mir Geoffreys Mitgefühl gewähren würde, wenn ich ihm meine Lage schilderte, war es nicht wert, die Familie zusätzlich in Gefahr zu bringen. Sobald sich eine bessere Gelegenheit bot, würde ich ihm alles erzählen.
Geoffrey berichtete gerade von einem seiner Abenteuer auf der anderen Seite des Kanals, als mir auffiel, wie die Gespräche um uns herum verstummten. Ich hielt den Holzbecher mit Rotwein in der Hand und sah nun nach unten, da ich befürchtete, mir das indigofarbene Kleid beschmutzt zu haben, das mein letztes Geschenk von Janyn war, doch ich konnte keinen Fleck entdecken. Als ich die Augen wieder hob, erblickte ich King Edward, der mit vergnügter Miene uns gegenüber am Tisch stand. Mein Atem stockte. Er verbeugte sich vor mir und streckte mir seine beringte Hand entgegen.
»Tanzt mit mir, Mistress Alice!«
»Gütige Mutter Gottes«, hauchte Geoffrey.
»Eure Königliche Hoheit«, murmelte ich und stand auf. Sofort sprang ein Knappe hinzu, half mir, über die Bank zu steigen, und führte mich um den Tisch zum König. Ich
weiß nicht, wie ich mich auf meinen zitternden Beinen halten konnte. Ich redete mir ein, dies alles habe nichts zu bedeuten, er bedaure mich nur wegen des Verlusts meines Ehemanns und habe sicherlich nur das Gefühl, mir ein wenig Aufheiterung zu schulden, denn schließlich war es seine Mutter, die dieses Leid über meine Familie
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