Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
fortsetzen wollte.
In einem Nebel aus Schmerz und Selbstvorwürfen durchlebte ich die folgenden Tage. Ich wünschte mir verzweifelt, die Zeit zurückdrehen und zu dem Leben zurückkehren zu können, das Janyn, Bella und ich gemeinsam geführt hatten. So kurz war diese Zeitspanne gewesen, dass ich schon fürchtete, in ihr bald nur noch einen Traum zu sehen. In gewisser Weise war es ja tatsächlich ein Traumgebilde gewesen, denn selbst in unserer Zeit als Familie hatte Janyn unsere Trennung bereits vorhergesehen. Was mir dauerhaft erschienen war, hatte er stets anders wahrgenommen. Ich quälte mich mit der Vorstellung, dass er sich womöglich geweigert hätte, mich zu verlassen, wenn seine Liebe zu mir größer oder ich ihm eine bessere Frau gewesen wäre, wenn ich mehr getan hätte, um sein Wohlgefallen zu erregen. Fürwahr, ich betete noch immer, Gott möge mir zeigen, was ich
tun müsste, um mein Glücklichsein zu verdienen, um Janyn und Bella zu mir zurückzubringen. Zugleich jedoch fürchtete ich, was ich vielleicht in Janyns Augen sehen würde – nicht Liebe, sondern Berechnung. Dass er mich nur geheiratet hatte, um die Königinwitwe zufriedenzustellen. Und dass er sich einen gewissen Zeitraum lang lediglich mit mir vergnügt hatte.
Einstweilen waren Bella und ich jetzt jedenfalls allein auf uns gestellt. Zugleich wuchs meine Dankbarkeit für das Wohlwollen, das mir Queen Philippa entgegenbrachte, versuchte sie doch, meine Stimmung zu heben, indem sie mich an den abendlichen Geselligkeiten teilhaben ließ, mich in der Nähstube an ihrer Seite behielt, um mich vor den Zitterhauben zu schützen, und – was das Schönste war – indem sie den König bat, mich in den Kreis jener Frauen aus ihrem Hofstaat aufzunehmen, die ihn bisweilen beim Ausreiten und bei der Beizjagd begleiten durften. Die Wälder, die Woodstock Palace umgaben, machten diese Residenz zu einem bevorzugten Ort für große Jagdgesellschaften.
Ich konnte mein Glück kaum fassen, solche Gunst zu erfahren, und war bestrebt, mich ihrer würdig zu erweisen. Seit unserer ersten Begegnung auf Hertford Castle hatte ich Distanz zum König gewahrt und nur selten ein Wort mit ihm gewechselt. Die Aussicht, nun in seiner Gesellschaft auszureiten, schreckte und erregte mich zugleich.
Es gelang mir, mich schicklich im Hintergrund zu halten, bis eines Morgens König Johann von Frankreich mit uns ausritt. Zu meiner Verblüffung sprach er mich bewundernd auf die mit einer Taubenfeder geschmückte lincolngrüne Reitkappe an, die Dame Agnes mir gemacht hatte. Rasch zerstreute er meine Verunsicherung, und wir sprachen über die erforderliche Fertigkeit, für ein bestimmtes Kleidungsstück den passenden Stoff auszuwählen.
King Edward gesellte sich zu uns. »Mistress Alice ist viel zu bescheiden, um Euch von ihrem eigenen Geschick zu berichten. Obschon erst zwei Jahre am Hof, ist sie der Königin doch bereits in allen Fragen ihrer Garderobe unentbehrlich geworden. Die Königin vertraut ihrem Rat vollkommen.« Er betrachtete mich lächelnd. »Ihr Vater erkannte ihre Gabe und war ihr ein guter Lehrmeister.«
Ich errötete unter den abschätzenden und anerkennenden Blicken der beiden Könige. Dass King Edward wusste, wie lange ich bereits am Hofe war und welchen Pflichten ich in Diensten seiner Gemahlin nachkam, überraschte und erfreute mich. Doch sie widmeten mir viel zu viel Aufmerksamkeit. Vor allem Lady Eleanor hatte wenigstens so scharfe Augen wie der Falke auf ihrem Arm.
Im Laufe der Zeit verstand es King Edward geschickt, mir meine Zurückhaltung zu nehmen, indem er mir Ratschläge über den Umgang mit Falken erteilte oder über Feinheiten der Reitkunst mit mir sprach. Auf beiden Gebieten wuchs mit steigendem Selbstvertrauen auch mein Eifer, und die Erleichterung, die mir diese aufregenden Beschäftigungen gegenüber meinem ansonsten stets beherrschten Auftreten verschafften, ließ mich leichtsinnig werden. Zwar hielt ich alle Formen geziemenden Benehmens ein, doch ergötzte ich mich an der raubtierhaften Schönheit meines Falkens und an meiner Verbundenheit mit einem solch wilden, listigen Geschöpf, und beim Reiten berauschte ich mich an der Kraft und Anmut von Melisende. Wenn ich meinem Falken zu seinem Angriff und seinem Beuteschlag gratulierte, stimmte der König mit ein. Wenn ich schnell ritt, merkte ich, wie er die gleiche Gangart einschlug, und begegneten sich unsere Blicke, dann spürte ich, wie uns die Kraft unserer Pferde ganz ähnlich erregte. Er
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