Die Verwandlung - Blutsbande 1
ausgehen.
„Ich brauchte Blut.“
Nathan runzelte die Stirn. „Du hast niemandem wehgetan, oder?“
„Okay, und wenn ich jemanden verletzt hätte, sehe ich so aus, als hätte ich diesen Kampf gewonnen?“
Ich sah ihm die Erleichterung an, dass er meinen Kopf nicht würde abhacken müssen.
„Ich bin einem Mädchen in einen Club in der Stadt gefolgt. Einen dieser … Grufti-Clubs.“ Bei dem Begriff ‚Grufti‘ senkte ich die Stimme, als handele es sich um ein schmutziges Wort.
„Club Cite?“, fragt er und ich nickte.
„Das war sehr gefährlich. Clubs wie das Cite sind voll von allen möglichen unerwünschten Kreaturen. Leute, die von sich glauben, sie seien Vampire, Möchtegern-Vampire und Vampir-Jäger. Es sind Amateur-Jäger, sie verfügen aber über genügend Wissen, um dich umzubringen, auch wenn es nur ein glücklicher Zufall ist.“
„Das weiß ich jetzt auch“, antwortete ich sauer. Nur zu gut erinnerte ich mich an den Geschmack von Dahlias Blut auf meiner Zunge. Ich holte tief Luft. „In dem Club lernte ich ein Mädchen kennen. Sie sagte mir, sie würde …“, mir fiel es schwer, die Worte auszusprechen, „… mich ihr Blut trinken lassen. Gegen Geld.“
Nathan seufzte und schüttelte den Kopf. Er nahm einen der Notizblöcke vom Tisch. „Wie hieß sie?“
„Dahlia.“ Ich sah ihm dabei über die Schulter, während er die Seiten umblätterte. Grobe Skizzen waren mit zahlreichen Anmerkungen am Rand versehen. Auf einer Seite war ein Polaroid-Foto mit einer Briefklammer befestigt. Er gab mir das Foto.
„Ist sie das?“
Ich betrachtete das Bild. Diese Frau sah wie Dahlia aus, aber sie hatte ihre dicken roten Locken unter einer schwarzen Perücke mit Pony-Frisur verborgen. Ich erkannte ihre Augen, ihr Blick war stechend und verrückt. Ich fragte mich, warum mir das nicht schon vorher aufgefallen war. Ich antwortete ihm, dass sie es sei, und gab das Bild zurück.
Fluchend stand er auf und warf das Foto auf den Tisch. Ich erschrak, mit dieser Reaktion hatte ich nicht gerechnet.
„Ich habe dir doch gesagt, dass du herkommen sollst, wenn du Blut brauchst! Warum bist du nicht zu mir gekommen?“, schrie er mich an.
„Ich war hier! Du warst nicht zu Hause!“, brüllte ich zurück. Es tat gut, auch mal zu schreien.
„Du hättest warten müssen!“ Er starrte mich böse an und wartete auf meine nächste Reaktion.
Als ich ihm nicht antwortete, fluchte er noch einmal und drehte sich um. Er strich sich mit den Händen durch die Haare.
„Bist du jetzt fertig?“, fragte ich ihn.
Er seufzte ärgerlich. „Ja, verdammt, aber du hättest wirklich warten sollen.“
„Vielleicht hätte ich das tun sollen. Aber ich konnte gestern nicht klar denken.“ Ich nahm noch einmal das Bild zur Hand. „Kennst du sie?“
„Wen?“
Ich verdrehte meine Augen und hielt ihm das Foto hin. „Dahlia.“
Als er sich wieder neben mich setzte, schien er mehr Fläche als zuvor von dem Sofa zu beanspruchen. Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, als würde ich bewusst darauf achten, nah bei ihm zu sitzen, deshalb setzte ich mich auf den Sessel.
„Ich kenne sie eher nur vom Hörensagen“, sagte er, während er auf den Block sah. „Sie ist eine sehr mächtige Hexe.“
„Eine Hexe?“ Ich lachte.
Nathan starrte mich genervt an, bevor er sich wieder seinen Notizen zuwandte. Er verschränkte seine Finger, legte die Hände an seine Lippen und kniff konzentriert die Augen zusammen. Als ich ihn so ansah, wurde mir klar, warum ich so enttäuscht gewesen war, zu hören, dass er nicht schon Jahrhunderte alt war. Alles an ihm war anachronistisch, als sei er direkt aus dem Mittelalter in die Gegenwart gekommen. Auf einem blutbesudelten Schlachtfeld würde er weniger deplatziert wirken als auf einem gebrauchten Sofa inmitten von staubigen alten Büchern wie in diesem Apartment. Ich stellte mir vor, wie er in einer Rüstung mit grimmiger Miene ein Schwert schwang, das er mit seinen muskulösen Armen führte, während seine ebenso muskulösen Oberschenkel …
„Hast du etwas entdeckt, das dir gefällt?“ Seine Stimme weckte mich aus meinem eindrucksvollen historischen Tagtraum. Er hatte mich erwischt.
Nathan lächelte arrogant, wie es alle Männer tun, wenn ihr Ego ordentlich gestreichelt worden ist.
„Tut mir leid, ich glaube, ich war nur etwas weggetreten.“ Diese faule Entschuldigung nahm ich mir noch nicht mal selber ab, daher wechselte ich schnell das Thema. „Was glaubst du, warum hat sie mich
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