Die Verwandlung - Blutsbande 1
und lachte, als er mich sah. „Du machst auch die Betten? Muss ich dich dafür bezahlen?“
„Und ich habe die Matratze umgedreht. Das macht zwanzig Dollar.“ Ich sah, dass er einkaufen war, weil er die Tüten noch in der Hand hielt. „Oder was immer in der Tasche von Viktoria’s Secret ist.“
Er lachte verlegen und warf die Tüten aufs Bett. „Ich wusste deine Größe nicht. Wenn etwas nicht passt, tauschen wir es einfach um.“
Nathan hatte an alles gedacht. Er hatte T-Shirts und Pullover in neutralen Farben von Old Navy gekauft, eine Jeans und hübsche Seidenunterhosen von Victoria’s Secret. „Ich habe einige deiner Anziehsachen aus deiner Wohnung herausholen können, aber sie haben so nach Rauch gestunken, dass ich nicht glaube, dass du sie noch anziehen kannst.“
Ich spürte, wie sich ein Kloß in meinem Hals breitmachte. „Nathan, das hättest du doch alles nicht tun müssen. Ich …“
Ich merkte überhaupt nicht, dass ich weinte, bis ich kein Wort mehr herausbrachte.
„Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen. Ich dachte nur, dass du ein paar Sachen brauchst.“ Er räusperte sich und gab mir noch eine Einkaufstüte. „Wenn ich dir das hier gebe, versprichst du mir dann, dass du aufhörst zu weinen?“
Ich schniefte. „Ich versuch’s. Wann warst du einkaufen?“
„Als ich von deiner Wohnung zurückkam. Du warst weg und ich war total sauer, also ging ich einkaufen.“
„Du bist einkaufen gegangen, weil du wütend auf mich warst?“ Ich nahm ihm die anderen Taschen aus der Hand. „Ich muss mich daran erinnern, dich zu nerven.“
Er grinste. „Das muss irgendein weiblicher Einfluss aus einem meiner vorherigen Leben sein. Solltest du mich jemals dabei erwischen, dass ich Telenovelas im Fernsehen schaue, darfst du mich erschießen. Ich wollte dir nach deiner Rückkehr nur ein möglichst schlechtes Gewissen machen.“
„Keine Sorge, das habe ich.“ Ich schaute in die Taschen. Ich griff in eine von einem Gemüsemarkt und erstarrte. Ich berührte etwas, dass ich kannte. „Nathan … was?“
Mit zitternden Händen hielt ich einen Bilderrahmen hoch. Es war ein kleines gerahmtes Foto von meinem Schulabschluss. Meine Eltern und ich lachten in die Kamera. Das letzte Mal, als ich es gesehen hatte, stand es auf meiner Kommode im Schlafzimmer. „Oh, Danke schön!“
Mir stiegen wieder die Tränen in die Augen. Angewidert wich Nathan einen Schritt zurück. „He, he, du hast gesagt, du hörst auf damit!“
„Es tut mir leid. Niemand hat bisher für mich so etwas Nettes getan.“
Und das war noch nicht einmal gelogen. Ich wurde mit der Haltung erzogen, dass nichts auf der Welt von alleine geschah, nichts gab es umsonst und alles musste hart erarbeitet werden. Ich hatte gelernt, dass die einzige Person, auf die ich mich verlassen konnte, ich selbst war. Noch einmal griff ich in die Tasche. „Das ist ja … das ist ja mein Abschlusszeugnis.“
„Ich dachte mir, du möchtest es vielleicht aus sentimentalen Gründen aufbewahren.“ Nathan verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. „Weißt du, dieses Feuer ist vielleicht die perfekte Weise, mit deinem alten Leben abzuschließen. Menschen sterben häufig bei Wohnungsbränden.“
Mein altes Leben. Meine Fotoalben. Meine Tagebücher. Alles, was mir am Herzen lag, war unwiederbringlich verbrannt. Mein Vater sagte früher immer, dass unsere Gesellschaft der Vergangenheit zu viel Wert beimesse. Ich wünschte, ich könnte ihm diese Weisheit jetzt ins Gesicht schreien. Meine Vergangenheit war alles, was ich noch von euch hatte. Da sie jetzt auf Nimmerwiedersehen verschwunden ist, seid ihr es auch.
„Lass uns jetzt nicht darüber reden, ja?“, sagte ich, während ich mit dem Handrücken meine Tränen wegwischte. Bevor Nathan protestieren konnte, knurrte mein Magen laut.
Besorgt sah er mich an. „Wie lange ist es her, dass du etwas zu dir genommen hast?“
Ich wand mich, als ich an das tote Mädchen dachte. „Cyrus hatte mir etwas angeboten, aber ich konnte nichts essen. Nicht so, wie er es tat.“
Nathan presste die Lippen zusammen, sagte aber nichts. Er ging in die Küche, und ich folgte ihm.
„Und, hast du Das Sanguinarius retten können?“ Ich sah ihm dabei zu, wie er einen Behälter mit Blut aus dem Kühlschrank nahm und den Inhalt in den Teekessel auf dem Herd schüttete.
Er schüttelte den Kopf. „Ich hatte keine Zeit, danach zu suchen.“
Überraschenderweise bekam ich Appetit von dem Geruch des sich
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