Die Verwandlung der Mary Ward - Roman
gefaltete Quadrat.
Ich fahre fort: »In der Nähe des Hauses gab es zwei Morgen Wald. Als Kind habe ich mich dort einmal verlaufen. Es wurde dunkel, und ich fand den Weg nicht mehr hinaus. Ich umschlang einen Baum und wartete. Schließlich wurde ich gefunden. Doch ich liebe Wälder und Bäume nicht so sehr wie die meisten Leute. Was mir hier gefällt, ist die Stille und der Himmel.«
Während ich spreche, ist die Dämmerung hereingebrochen. Eine Sommerdämmerung, malvenfarben und sanft.
»Erzählen Sie weiter«, fordert mich der Richter auf.
»Mehr gibt es nicht zu erzählen«, entgegne ich. »Das ist alles.«
Von Sterns erhalte ich neue Instruktionen. Er schreibt: »Es ist an der Zeit, daß Sie nach Hause kommen. Es ist an der Zeit, daß Sie Ihr Leben fortsetzen.«
Er meint, ich solle jetzt das, was er »Aufbauchirurgie« nennt, in Angriff nehmen. Er glaubt, ich gehöre zu den wenigen Frau-zu-Mann-Transsexuellen, für die die Schaffung eines Penis von entscheidender Bedeutung ist.
Dieser Penis soll aus richtigem Fleisch sein, meinem eigenen, das verlagert und geformt wird.
Auf meinem Unterleib soll aus Gewebe ein Rohr aufgebaut werden. Durch mehrere Operationen wird dieses dann nach unten verschoben, bis es an der richtigen Stelle ist. Die Harnröhre wird hindurchgeleitet. Dann wird innen ein synthetischer Versteifungsstab eingenäht, so ähnlich wie beim Penis eines impotenten Mannes.
Damit könnte ich der Liebhaber einer Frau sein. Sie würde keinen Unterschied merken. Jedenfalls fast keinen.
Sterns glaubt, daß ich erst dann glücklich sein könnte, wenn ich dazu in der Lage wäre. Er meint, ich träume noch immer davon.
Ich träume aber nicht davon. Ich träume überhaupt nicht. Die Tage kommen. Martin durchlebt sie. Er arbeitet auch an den heißen Nachmittagen. Er trinkt von Beulah zubereitete Limonade und hört sich Jeremiahs Leben an. Er streichelt den Pfauen über den Hals. Er schläft gut in dem großen Bett. Ich bin er, und er ist ich, das ist alles. Und das ist genug.
Die Frau, die ich wollte, war Pearl. Ich wollte Pearls Universum sein. Für sie hätte ich mich so oft und so sehr verändert, wie sie es gewünscht hätte. Sie hätte mich immer aufs neue erfinden können, bis uns der Tod geschieden hätte.
Sterns weiß das. Man sollte meinen, daß er mit diesem Wissen besser verstehen müßte, was ich jeden Tag träume. Doch er ist so weit weg von mir und sitzt im Dunkeln. Seine einzige Gesellschaft sind Fische. Er hat nie die Sonne auf dem Bach gesehen. Er hat auch nie Walter Loomis singen hören.
Ich schreibe Sterns, daß ich nicht den Wunsch habe, nach England zurückzukehren. Ich teile ihm mit, daß ich ein gewisses Niveau, sozusagen eine Hochebene, erreicht habe. »Ich würde das Leben hier nur aufgeben, wenn mich etwas oder jemand zurückruft . Der Gedanke an weitere Operationen wird mich nicht dazu bringen.«
Ich erinnere ihn und mich daran, daß ich dreißig Jahre alt bin.
Und draußen auf dem Feld sage ich zu Jeremiah: »Nicht nur das Alter schleicht sich an uns heran. Manchmal auch das Glück.«
Walter hat sich einen Wagen gekauft, und zwar einen gebrauchten blauen Chevvy mit Lederpatchwork-Polsterung.
Er klappt das Dach zurück und fährt in der Sonne spazieren. Dabei läßt er seinen Rheinkiesel-Ellbogen in den Wind hängen. Sky sitzt neben ihm, ein Chiffontuch um den Kopf gebunden. Im Herbst wollen sie sich auf den Weg machen und selbst nach Skys Mann suchen. Sie sagen: »Wir möchten verheiratet sein, bevor die Kälte kommt.«
Ihre Schallplatte ist heraus. TMS Records hat ihnen zu Ehren eine kleine Party veranstaltet. Alle haben getrunken und getanzt. Ich dachte, es würde eine LP sein, mit allen Liedern, die Walter je geschrieben hat, doch so ist es nicht. Es ist eine Single. Und sie wird nicht allzuoft gespielt. Aber niemand läßt sich dadurch entmutigen. Walter, Skippy Jean und Bentwater sagen: »Das war ja erst der Anfang. Und alle Wasser fließen ins Meer.« Das Meer, von dem sie träumen, ist das, in dem König Arthurs wertvolles Schwert Excalibur zwischen Felsen eingezwängt liegt.
Sie leben von dem, was Sky als Backgroundsängerin undWalter mit der Hofarbeit verdient. Sein letztes Geschenk von einer seiner Arbeitgeberinnen war ein Baseballschläger.
Manchmal singt er bei Fay May für Trinkgelder. Er hat damit schon über zweihundert Dollar verdient und erzählt mir: »Die schicke ich Pete. Ich habe ihm geschrieben, daß er auf einen Motor für den Bus sparen
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