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Die Verwandlung der Mary Ward - Roman

Die Verwandlung der Mary Ward - Roman

Titel: Die Verwandlung der Mary Ward - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Refrain.

    Als junger Mann man glücklich sei!
    Bevor ich dich traf, war’s einerlei,
    Ich dachte, mein Leben wär vorbei,
    Ich dachte, ich bliebe für immer allein,
    Bevor ich dich sah, war ich aus Stein.
    Oh, Sandra,
    Für dich reit ich durch die Tundra,
    Für dich bin ich frisch und munter.
    Bist du glücklich, dann bin ich froh,
    Oh, Sandra, warum leide ich so?
    Walter war stolz darauf. Er trug es Pete vor. Pete lächelte. »Schwierig, einen Reim auf Sandra zu finden!« sagte er. »Aber nicht schlecht für den Anfang.«
    Sie saßen dann bis spät in der Nacht im Bus, ganz wie zu den alten Jodelzeiten, und suchten nach einer Melodie. Der Sommer neigte sich dem Ende zu, und es wurde immer früher dunkel. Walter starrte hinaus und stellte sich Sandra vor, wie sie den Gummigürtel abnahm, den Tellerrock auszog und allein im Zimmer stand und ihr Haar bürstete.
    Als die Melodie schließlich kam und Pete sie Note für Note niederschrieb, wobei er mit den Fingern mitzählte, machte sich Walter daran, weitere Verse zu dichten. Sein Lied sollte nie aufhören. Es sollte an die Stelle der Zeit treten. Er wußte jetzt nicht mehr, was er mehr liebte, das Lied oder das Mädchen, Oh, Sandra oder Sandra. Er war so zufrieden mit sich, daß er ständig ein kleines Lächeln auf den Lippen trug.
    Pete bemerkte die Freude des Jungen und verstand sie. Er sagte: »Ich habe mich einmal in einem Sommer in Memphis so gefühlt. Es war kalt gewesen, und dann kam eine einzige heiße Nacht, und am nächsten Tag, einem Sonntag, waren alle meine Rosen erblüht, peng, und der Pastor sagte zu mir: ›Sie haben hier etwas wirklich Schönes geschaffen, Pete.‹ So sprachen sie damals dort: ›Sie haben etwas wirklich Schönes geschaffen, Pete.‹ – ›Ja, Sir .‹ Und so fühlte ich mich auch. Ich hätte ständig lächeln können.«
    Walter ging wieder zum Textilgeschäft. Amy Cunningham packte gerade eine Schachtel Zweifachwolle aus. Sie fixierte Walter mit dem starren Blick, für den sie bekannt war, hart wie die Tundra.
    Walter ignorierte das Starren und begrüßte sie mit einem höflichen Nicken. Er trug an diesem Tag eine Krawatte. Er ging zu Sandra hinüber, die gerade einen schwarzen Lederhandschuh über eine Plastikmodellhand zog, und machte eine törichte kleine Verbeugung. Den Teil seines Körpers, der in Madame Cleo nach dem Zauber gesucht hatte, bedeckte er mit seiner Tweedkappe.
    Er schlug einen Bootsausflug auf dem Alde vor. Er sagte, der Sommer würde bald vorüber sein. Sandra sah ihn nicht an. Sie war einmal mit ihrem Vater den Alde hinunter bis Orford Ness am Meer gerudert und hatte oft davon geträumt, es wieder mal zu tun. Daher antwortete sie: »Also gut, Walter. Bis Sonntag dann.«
    Walter holte sie mit dem Loomis-Lieferwagen ab. Er hatte sein Banjo und einen kleinen Korb mit Wurst und Tizer- Fläschchen mitgebracht. Er hatte gehofft, daß die Sonne scheinen würde, doch er bekam nur einen weißen, unwirklichen Tag ohne Schatten und ohne Wind.
    Der Bootsverleiher hieß Wheatcroft. Die Boote lagen wegen der vielen Lackschichten tief im Wasser. Man erhielt keine Kissen, sondern mußte auf den harten Holzbänken sitzen. Zwischen den Holzleisten am Boden sammelte sich Wasser an. Es war nicht möglich, sein Mädchen wie auf den Ölgemälden mit einem Sonnenschirm hinzulegen.
    Sandra sprach kein Wort. Sie sah zu, wie die Ufer, wo die Kühe still auf den Weiden standen, an ihnen vorüberzogen. Sie hatte blaue, lebendige Augen.
    Als Einleitung für das Thema Oh, Sandra begann Walter Sandra die Lebensgeschichte von Hank Williams zu erzählen, der als Sohn eines Forstzugmechanikers aus ärmlichen Verhältnissen gekommen war und es zu einem berühmten Sänger und Texter von Hillbilly-Musik gebracht hatte.
    Sandra hatte noch nie etwas von Hank Williams gehört. Sie meinte, sie könne sich unter einem Forstzugmechaniker nichts vorstellen. Walter beeilte sich, diese Hürde zu bewältigen. Er erzählte ihr, daß Williams bereits im Alter von dreißig Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen sei, seine Lieder aber weiterbestünden.
    »Das liegt daran«, sagte er, »daß Hank die Grundlage der Country-music verstanden hatte. Sie ist Aufrichtigkeit. Hillbillies geben nichts vor. Sie singen, was sie fühlen. Und Hank sagte, sie seien aufrichtiger als die meisten Entertainer, weil sie wissen, was harte Arbeit ist.«
    »Warum erzählst du mir das alles?« fragte Sandra.
    Walter hielt im Rudern inne. Er war schweißgebadet. Er ließ das

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