Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
Jugendlichen gerecht wird.
Wachstum entsteht durch Anstrengung, durch ein eigenständiges Meistern von Aufgaben oder Problemen.
Dies belegen regelmäßig die Daten im Wirtschaftsteil der Zeitung. Auch im Sport ist dies offensichtlich. Dann, wenn es fast nicht mehr geht, wenn es anfängt, wehzutun, werden letzte Reserven freigesetzt, werden Leistungsgrenzen überschritten. Und da der Lebensalltag eine gute körperliche Verfassung erfordert, wächst die Einsicht, den Körper regelmäßig zu fordern. Die wie Pilze aus dem Boden sprießenden Fitnessstudios bestätigen diesen Trend.
Beim Aneignen von Wissen, sozialen Kompetenzen, technischen Fertigkeiten oder geistiger Fitness ist dies keinesfalls anders. Fehlt ein solches Training, werden Hürden als angeborene Begrenzungen oder als Willkürakte der Umwelt erlebt. ›Offensichtliches Unvermögen muss man halt akzeptieren und vor Anforderungen sind unsere Kinder natürlich zu schützen‹, so die Denkweise vieler Eltern. Solche Reaktionen verfestigen jedoch die schon reichlich vorhandene Bequemlichkeit und Trägheit. Da der Lebensalltag viele Fähigkeiten fordert, müsste als Konsequenz ein großer Run auf entsprechende Trainingsmöglichkeiten feststellbar sein. Mitnichten – eine starke Abstinenz bestimmt die Situation. Und da viele Erziehungspersonen sich selbst nicht entsprechend herausfordern, vermeiden sie dies auch tunlichst den anvertrauten Kindern und Jugendlichen gegenüber.
Das Leben in einer immer differenzierteren Welt erfordert neben Eigenständigkeit und sozialer Kompetenz in erheblichem Maße die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme, Belastbarkeit in Konfliktsituationen, Kreativität bei Problemlösungen, Durchhaltevermögen, Überblick, Erfahrungswissen, Urteilskraft, Wahrnehmungs- und Verknüpfungsfähigkeit, Verlässlichkeit, Flexibilität, Mobilität, Engagement, Toleranz und Weltoffenheit, Gelassenheit mit sich selbst und im Umgang mit anderen, kurz: eine gehörige Portion Mut, sich immer erneut auf das Wagnis des Lebens einzulassen. Dies sind die Kernziele einer zukunftsweisenden Erziehung, welche gleichzeitig einen Blick auf den zugrunde liegenden Wertekanon ermöglichen.
Aber durch welche Maßnahmen können Kinder und Jugendliche Eigenständigkeit, Durchhaltevermögen und Lebensmut erlernen? Dazu das folgende Beispiel aus der Kleinkinderziehung, welches etwas abgewandelt auf alle Lebenssituationen übertragen werden kann:
Die häufigste Art, ein kleines Kind von A nach B zu bringen, ist, es zu tragen oder den Kinderwagen zu nutzen.
Hier geschieht Beförderung!
Die zukunftsorientierte Art, ein Kind von A nach B gelangen zu lassen, ist, ihm jede mögliche Hilfe zur eigenständigen Fortbewegung zu geben, je nach Alter natürlich unterschiedlich.
Hier geschieht Förderung!
❯ Im ersten Fall wird anstelle des Kindes gehandelt, was auf Dauer abhängig macht.
❯ Im zweiten Fall wird durch motivierende Anreize bzw. Hilfestellungen gehandelt, was zur Verselbstständigung führt.
Frühes eigenständiges Greifen, Krabbeln, Tippeln, Gehen, Trinken und Essen, Sprechen, Treppensteigen, Anziehen, Klettern, Fahrradfahren in erster Linie irgendwelchen besonderen Anlagen – sprich Genen – oder dem Zufall zuzuschreiben, drückt nur aus, vor den wirklichen Zusammenhängen die Augen zu verschließen. Um diese Fähigkeiten zu erreichen, sind nicht Drill und Dauertraining angesagt, sondern das fördernde Aufgreifen eigener Welterkundung. Denn wie die Eigenständigkeit wird auch die Unselbstständigkeit – bis hin zur Hilflosigkeit – erlernt.
Das fünfjährige Kind, welches der Kindergärtnerin regelmäßig mittags den Anorak vor die Füße warf und »Anziehen!« rief, muss mit dieser Vorgehensweise schon oft Erfolg gehabt haben. Vielleicht fing alles damit an, dass die Zeit zu Hause für das eigenständige Anziehen nicht vorhanden schien und daher Vater oder Mutter ›das mal schnell übernahm‹. In einer Mischung aus Bequemlichkeit und Unvermögen musste das Kind demnach mit Nachdruck für das Aufrechterhalten dieses Systems des Angezogenwerdens sorgen.
Hier die Übertragung des oben herausgestellten Beispiels auf ältere Kinder:
Die häufigste Art, junge Menschen auf das Leben vorzubereiten, ist, ihnen ein Bündel technischer Fertigkeiten zuzüglich einer kräftigen Portion Buchwissen anzutragen.
Hier geschieht Beförderung!
Die zukunftsorientierte Art, junge Menschen auf das Leben vorzubereiten, ist, ihnen jede mögliche Hilfe zur
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