Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
eigenständigen Entwicklung zu geben, je nach Alter natürlich unterschiedlich.
Hier geschieht Förderung!
Erziehung im lebensfördernden Sinne findet immer dann statt, wenn ausreichend Raum geboten wird, etwas eigenständig zu schaffen. So entwickeln Kinder Selbstständigkeit, Kompetenz, Mut, Sicherheit, Stärke und damit letztlich die Fähigkeit zu lieben. Ob dieser Vorgang dann als Erziehung, emanzipatorischer Prozess, antipädagogische Aktion oder Sozialisation bezeichnet wird, erscheint mir drittranging. Denn die Frage, was ein Mensch braucht, um vom ›Noch-nicht‹ über ›Jetzt-packe-ich-es-an‹ zum ›Ich-kann-es-selbst‹ zu gelangen, wird durch keine akademische Erörterung beantwortet. Der Erfolg eines solchen Vorgehens wird ausschließlich durch den Umfang und die Qualität von genutzten und/oder geschaffenen Herausforderungssituationen bestimmt und daran gemessen, wann und in welchem Umfang dieses eigenverantwortliche Handeln deutlich wird. Denn mit 20 bis 25 Jahren sollte der Nachwuchs in der Lage sein, sein Leben eigenständig zu gestalten.
Grundvoraussetzungen zur Erziehung
Die Frage, welche Voraussetzungen bei Eltern – und in vergleichbarer Verantwortung Stehenden – vorhanden sein müssen, um der gestellten Erziehungsverantwortung nachzukommen, wird in der pädagogischen Diskussion meistens ausgeblendet. Daher werde ich einige grundlegende Notwendigkeiten genauer unter die Lupe nehmen, vom Einsatz der Zeit für die Erziehungsaufgaben über die Frage der persönlichen Reife der Erzieher, den Umgang mit der Verantwortung als Pädagoge, der Achtung von Heranwachsenden in ihrem Eigensein bis hin zur Bedeutung von Kontinuität und Stabilität in der Erziehung.
Alles hat seine Zeit
So steht es im Buch der Prediger des Alten Testamentes: »Es gibt eine Zeit des Wachsens und Reifens und eine Zeit der Ernte, des Festhaltens und des Loslassens.« Damit ist einerseits unser Handeln in den Lauf der Zeit gestellt, andererseits wird zum Ausdruck gebracht, dass alles auch seine Zeit benötigt. So setzen wir täglich neu Sekunden, Minuten oder gar Stunden für Hobbys, Reisen, Autopflege, Sportverein, Freundeskreise, Körperpflege, PC und Internet, Blumenzucht oder Muße ein. Auch all die wichtigen Fernsehsendungen sowie der Umgang mit Hund und Katze sind nicht zu vergessen. Ja – und manchmal benötigen auch Kinder Zeit. Dafür bleibt angesichts der vielen anderen Zeit-Zehrer nicht unbedingt viel. So berichtete ein Radiosender vor einigen Jahren aus einer Untersuchung: »Berufstätige Mütter beschäftigen sich 37 Minuten, berufstätige Väter 17 Minuten täglich mit ihren Kindern.« Leider wurde kein Vergleich mit Nicht-Berufstätigen vorgenommen, da der Umfang von zusätzlich verfügbarer Zeit noch nichts über ihren sinnvollen Einsatz im Umgang mit Kindern zum Ausdruck bringt.
Nach dieser Anmerkung, so weiß ich aus verschiedensten Elternseminaren, geht es dem schlechten Gewissen berufstätiger Mütter – berufstätige Väter haben übrigens fast nie ein schlechtes Gewissen, trotz chronischen Zeitmangels – meistens schon etwas besser. Erst recht, wenn ich von amerikanischen Untersuchungen berichte, dass nicht der Umfang der eingebrachten Zeiten von Eltern im Umgang mit Kindern entscheidend ist, sondern die Qualität der dann gelebten Beziehung.
Zeit scheint also komprimierbar zu sein. In einem begrenzten Sinne, ja. Da aber der Einsatz von Zeit auch immer Wertigkeiten und Wichtigkeiten widerspiegelt, entlarven sich permanente Verdichtungsversuche im Umgang mit dem Nachwuchs sehr schnell. Wenn der Vater außerhalb seiner Berufsausübung für alles Mögliche – von der Autopflege über den Sportverein zum Medienkonsum – Zeit hat, wenn sich bei der berufstätigen oder nicht berufstätigen Mutter fast alles um Tennis, Kosmetik, Sonnenbank und Frauencafé dreht, nur leider für Sohn und/oder Tochter keine Zeit mehr bleibt, muss sich der Nachwuchs als störender Zeitfresser vorkommen.
Fazit: ›Lass mich sehen, wofür du dir Zeit nimmst, und ich sage dir, was dir wichtig ist.‹
Wie steht es mit der eigenen Pubertät?
Eine wichtige Voraussetzung zur Übernahme elterlicher oder anders begründeter erzieherischer Verantwortung ist, die eigene Pubertät halbwegs positiv zum Abschluss gebracht zu haben. Denn es beeinträchtigt den Erziehungsvorgang erheblich, ›wenn Kinder für Kinder zu sorgen haben‹. Ich unterstreiche, dass ich nicht die 14- bis 18-jährigen Mütter oder Väter meine. Nein, ich
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