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Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit

Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit

Titel: Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kösel-Verlag <München>
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Konsequenz, sich in den Schutz neurotischer Abwehrmechanismen begeben zu wollen. So werden Minderwertigkeitsgefühle gefördert; und jede neue Erfahrung des ›Nicht‹ wirkt als Verstärkung. Sie führen zur Resignation mit der Folge von Hilfsansprüchen oder äußern sich im Einfordern von Macht. Wer nicht mit einem positiven Beitrag Beachtung findet, zeigt sich entweder unterstützungsbedürftig, brav und angepasst oder trotzig-verweigernd, um so wenigstens Aufmerksamkeit und Zuwendung zu erzeugen.
    Ein besonderes Augenmerk innerhalb der Analyse des Phänomens Verwöhnung ist auf die ›selbstlosen, überfürsorglichen und aufopferungsvollen Erzieher‹ zu werfen. Sie geben vor, jeden eigenen Wunsch hintanzustellen. Schirrmeister äußert sich dazu im Rückgriff auf Adler in seinem Buch Das verwöhnte Kind im Jahre 1926: »Solche Erzieher rühmen sich, dass sie gar keinen persönlichen Egoismus mehr besäßen, sondern nur noch für das Kind da seien. Untersucht man diesen Charakterzug genauer, erkennt man, dass der Egoismus nur eine Schicht tiefer zu finden ist, nämlich in der Eitelkeit des Erziehers« 48 , welche sich in grenzenloser Besorgnis äußert. Das heißt, Verwöhnvorgänge sind Belege finalen Handelns. Eltern oder andere Personen im Umfeld von Kindern wollen sich durch die Verwöhnung selbst etwas Angenehmes angedeihen lassen.
    Verweist Schirrmeister auf die Pflege der Eitelkeit und nehmen viele Beispiele von Oehler Mitleid oder Vermeidungsverhalten in den Blick, so stellt Rattner durch die Beschreibung des Umgangs mit dem jungen Oblomow die Angstreduzierung als Ziel heraus. Allen Verdeutlichungen ist gemeinsam: Es geht eben nicht um die Belange des Kindes, sondern um konkrete Erwartungen der erziehenden Personen. Verwöhnung gilt dabei für Adler »als wichtigste Wurzel psychischer Entwicklungshemmungen«. 49
    Fahrstuhl zur Bequemlichkeit
    Der verhaltensbiologische Ansatz des Felix von Cube
    Die tragische Figur des Oblomow aus dem zu Ende gehenden Zarenreich bietet nicht nur die Möglichkeit, sein durch Verwöhnung geprägtes Leben unter psychologischen Aspekten zu betrachten, sondern stellt auch Ansatzpunkte für eine verhaltensbiologische Analyse bereit. Denn im Grunde ist das Leben dieses fiktiven Russen ein Paradebeispiel für die durch Felix von Cube eingebrachte These, dass Verwöhnung Ausdruck von »Lusterleben ohne Anstrengung« sei. Mit seinem in vielen Auflagen erschienenen Werk Fordern statt verwöhnen. Die Erkenntnisse der Verhaltensbiologie in Erziehung und Führung löste der als Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Heidelberg Tätige eine teilweise leidenschaftlich geführte Diskussion aus.
    Die verhaltensbiologische Forschung stellt heraus, dass man in der Alltagssprache unter einem verwöhnten Menschen jemanden versteht, »der es gewohnt ist, dass seine Bedürfnisse sofort und lustvoll befriedigt werden. Kommt nur geringer Durst auf, verlangt er sofort zu trinken, und zwar nicht Wasser, sondern Bier, Wein, gesüßten Fruchtsaft oder dergleichen. Kommt auch nur geringer Hunger auf, verlangt er lecker und lustvoll zu speisen, kommen sexuelle Bedürfnisse auf, verlangt er nach rascher Befriedigung ohne lange Investition. Verwöhnt wird aber auch derjenige genannt, der jede Anstrengung scheut, der sich ›hinten und vorne‹ bedienen lässt, der seine Aktivitäten am Fernseher erlebt, der auch kurze Strecken mit dem Auto fährt usw.« 50 Zwangsläufig nimmt so der Einsatz von Kraft, Zeit und Strebsamkeit zur Erreichung von Zielsetzungen ab; gleichzeitig steigen die Ansprüche bis ins Unermessliche. Werden sie nicht entsprechend erfüllt, wächst aggressives Verhalten. Das Kurzfazit lautet: Rasche und leichte Triebbefriedigung verwöhnt!
    »Wir strengen uns nur dann an, wenn die Triebbefriedigung es verlangt. Wird uns das Essen serviert, sexuelles Handeln leicht gemacht, der Sieg geschenkt, so haben wir kein Motiv, keinen ›Beweggrund‹ mehr, unser Aktions- und Kampfpotenzial einzusetzen.« 51 Zur besseren Nachvollziehbarkeit dieser Zusammenhänge hier eine kurze Skizzierung der verhaltensbiologischen Forschungsergebnisse von Cubes:
    Nach dem Gesetz der doppelten Quantifizierung kommen eine Triebhandlung und das damit verbundene Lusterlebnis nur dann zustande, wenn entweder die Triebstärke oder die Reizintensität – oder beides – genügend hoch ist. Ein niedriges Reizniveau erfordert eine hohe Triebstärke, schwach ausgeprägte Triebe benötigen starke Reize, um

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