Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
Kontakte werden häufig durch Kommunikationsmedien realisiert, Besuche vor Ort minimiert oder per Fahrzeug realisiert. Auch bei Partnersuche und -kontakt wird strikt auf einen gering zu haltenden Kräfteeinsatz geachtet. Der Körper wird nur noch in Teilbereichen benötigt.
Dazu kommt, dass unsere Entfremdung von der eigenen und der uns umgebenden Natur auch viele Instinkte und Sinne verkümmern ließ, sodass wichtige Wahrnehmungs- und Alarmsysteme gestört sind. Die Suche nach Verwöhnung stößt unter diesen Voraussetzungen auf ein bestens bestelltes Feld der Möglichkeiten. Sogar die Haustiere sind Opfer der Zivilisation, erst recht, wenn ihnen das Futter in den Mund gelegt wird. Mensch und Tier werden unter verhaltensbiologischen Gesichtspunkten gleichermaßen von ihrer Art entfremdet.
Konsumgesellschaften führen auch zu einer starken Entfremdung von emotionalen Bedürfnissen. Face-to-face-Kontakte, das Finden von Akzeptanz und Anerkennung im sozialen Umfeld sowie Erfahrungen im Umgang mit Erfolg und Misserfolg sind notwendige Voraussetzung auf dem Weg zu einem eigenständigen personalen Sein. Viele sogenannte Kommunikationsmittel und die meisten Konsumartikel verhindern jedoch diesen Prozess. Zuwendung in Liebe, Nähe und Kontinuität sind aber nicht nur der Nährboden, um Vertrauen zu sich und anderen zu entwickeln, sondern auch die Basis für Lerneifer in einem die Neugier anregenden und herausfordernden Umfeld.
Diesen Bedürfnissen wird unter dem Vorzeichen des Fortschritts immer weniger entsprochen. Das fehlende Gegenüber von Mutter und Vater wird einer Tagesmutter oder Krippe, einer Unmenge von Kuscheltieren und dem Fernseher übertragen. Welterfahrung findet im übervollen Kinderzimmer bei ständig wechselnden Computerprogrammen statt. Anstelle eines gezielten Eruierens von Neuem ist jeder einer permanenten Ablenkung ausgesetzt, wird jegliches Erkundungs- und Aneignungsinteresse durch eine fertige Welt erstickt.
Ein weiterer Aspekt des Wohlstands ist, dass wir über immer mehr Zeit, technische Mittel und Geld verfügen. Auch wenn das nicht auf alle Menschen gleichermaßen zutrifft, ist dieser Trend unübersehbar. Ständig sind Entscheidungen zu ihrem Einsatz zu treffen. Sinnvolles und Schädliches geraten so in einen Widerstreit, dessen Resultat allzu oft die Verwöhnung ist. Ob Kinder-, Partner- oder Selbstverwöhnung, immer läuft es darauf hinaus, das eigentlich Anstehende nicht zu tun. Trotz, Schmollen oder Unfähigkeitsgebahren sind die Verweigerungsmechanismen, Überversorgung, Konfliktvermeidung und Anstelle-Handeln die Hauptäußerungsformen dieser Entwicklung.
Durch die Verwöhnung entsteht ein Stau an Kräften und/oder Bedürfnissen. Die Individualpsychologie hat verdeutlicht, dass Verwöhnung eine zielgerichtete Handlung zur momentanen Vorteilnahme zulasten anderer und/oder der eigenen Zukunft darstellt. Sie ist immer eine Ersatzhandlung und verhindert das eigentlich Erwünschte oder Sinnvolle. Auf Dauer wird so Eigenverantwortung immer mehr reduziert. Gleichzeitig verstärkt sich das Bedürfnis nach jedweder Art von Zuwendung. Der Verlust des eigenen ›Selbst-Seins‹ verstärkt sich von Vorgang zu Vorgang.
Wohlstand und Konsum provozieren Anstrengungsvermeidung und einen fehlgeleiteten Umgang mit emotionalen Bedürfnissen. Fast alles ist jederzeit auf einfachste Weise möglich. Verwöhnung wird auf dieser Basis zur Fehlkompensation wichtiger Bedürfnisse eingesetzt.
Immer ist mit der Verwöhnung verbunden, sich auf das eigentlich Anstehende nicht einzulassen, ob bei Kindern, Erwachsenen oder im Umgang mit sich selbst. Verwöhnung wird so zum ›Sündenfall‹ der Moderne, zur Ursache vielfältigen Fehlverhaltens.
So ist die Verwöhnung eine »zentrale Ursache für die Übel der Wohlstandsgesellschaft«, da Anspruchsverwöhnung zur Umweltzerstörung und Anstrengungsverwöhnung zur Selbstzerstörung führt. 63 Sucht schließlich ist die Folge maximaler Verwöhnung. – Dies gibt viel Arbeit für Psychologen und reichlich Leid für Umfeldbetroffene.
Alle Befürworter der Verwöhnung sind sich in einem einig: den Vorgang rechtfertigen, die Folgen des Tuns verdrängen und eine Untersuchung der Beweggründe verhindern zu wollen.
Mütter – manchmal auch Väter – können ohne ihren Nachwuchs nicht auskommen, Kinder sind von ihren verwöhnenden Bezugspersonen abhängig. Partner leiden unter der Abhängigkeit der Verwöhnung und schaffen gleichzeitig Voraussetzungen für ihren
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