Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vier Söhne des Doktor March

Die vier Söhne des Doktor March

Titel: Die vier Söhne des Doktor March Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
Vom Netzwerk:
macht.
    Deutet das nicht auf eine labile Konstitution hin? Wie bei Jack, zum Beispiel? Die nervöse Natur eines Künstlers, eines schmutzigen Bettnässers? Das kommt, weil ich im Moment müde bin, mit dieser riesigen Zunge in meinem Mund, ich habe ständig Durst und trinke zuviel, aber das geht nur mich etwas an, verstehst du. Was ich tue, betrifft nur mich, und wer davon nicht überzeugt ist, den knöpfe ich mir vor.
    Ich habe von Sharon geträumt.
    Ich frage mich, weshalb du ins Dorf gefahren bist, Jeanie. Geht es dir hier im Warmen nicht besser? Du denkst doch nicht etwa daran, uns zu verlassen? Bei dem vielen Schnee wäre ein Körper in zwei Stunden zugeschneit, vermute ich. Ein kleiner weißer Hügel auf der Straße. Und nur die spitzen Absätze ragten heraus . Das wäre so schön. Und eine kleine Urinpfütze würde langsam auf dem Kopf des kleinen, weißen Leichnams gefrieren. Ich frage mich, weshalb ich dich immer noch hier lasse, geliebtes Tagebuch, ich bin wirklich zu gut zu den Spionen.
    Jeanies Tagebuch
    Verschiedene Punkte. Erstens habe ich ein Buch über Psychopathen gekauft. Der Doktor hat mich gefragt, was ich im Dorf zu tun habe: »Kriminalromane kaufen.« Er brummelte: »Diesen Unsinn lesen Sie?« - »Ja, von Zeit zu Zeit, das entspannt.«
    Aber was mischt er sich überhaupt ein, dieser Dickwanst? Ich kann mir eben keine Unterhaltung in geblümter Unterwäsche leisten!
    Es tut gut, draußen zu sein, den Schnee zu riechen, sich frisch zu fühlen, das macht mich fröhlich, gegen meinen Willen und trotz der ernsten Lage.

4 Angriff
    Jeanies Tagebuch
    Ich glaube, allmählich begreife ich die Taktik von diesem Saukerl. Er will mir alle, einen nach dem anderen, verdächtig machen, in der Hoffnung, daß ich mich damit aufhalte, seine falschen Fährten zu verfolgen. Ich denke wieder an diese Unpäßlichkeiten, die er immer öfter hat. Ist das ein schlechtes Zeichen, weil es eine Krise ankündigt (Jeanie, meine Gute, du redest wie ein Universitätsprofessor), oder ein gutes Zeichen, weil es bedeutet, daß er anfängt zusammenzubrechen? Diese Geschichte mit dem Durst … Durst nach Blut, jawohl! Ich denke an dieses Mädchen, das demnächst kommen wird, Sharon. Er hat von ihr geträumt. Wenn sie ihn töten könnte. Ein großes und starkes Mädchen, das ihn mit einem Faustschlag auf den Schädel bewußtlos schlagen würde.
    Ich habe über die Geschichte mit der karierten Hose nachgedacht. Seine hätte blutbefleckt sein müssen. Außer er hätte sie selbst gewaschen, nach seiner Rückkehr in jener Nacht.
    Apropos Wäsche: Ich habe im Wäschekorb gewühlt, und natürlich war ein schmutziges Leintuch drin. Soll ich die Alte fragen gehen, ob einer ins Bett macht oder als Kind ins Bett gemacht hat? Ich weiß nicht.
    Es ist beachtlich, wie verschieden Vierlinge sein können. Aber genauso verwirrend ist es, die gleiche Person in vier verschiedenen Ausgaben zu sehen. Es wäre lustig, wenn jeder von uns die verschiedenen Seiten seines Charakters in Personen aus Fleisch und Blut verwandeln könnte. Mich gäbe es als Jeanie, die Diebin, als Jeanie, die Verliebte, als Jeanie, das Mädchen für alles, als Jeanie, die große Abenteurerin.
    Ich frage mich, was ich tun würde, wenn ich einen ernstzunehmenden Hinweis hätte: wenn ich zum Beispiel beobachten könnte, wie mir einer auflauert; Jack mit seinen schönen Augen oder Mark in seinem dunklen Anzug, oder Stark, der immer grinst, oder Clark, wenn er gerade Erdnüsse knabbert.
    Ich würde mich auf jeden Fall nicht verhalten wie Karen; ich würde die Sache mit einem Kerl, der mit einer Axt bewaffnet ist, ganz bestimmt nicht diskutieren, aber das konnte sie ja nicht vorhersehen. Ebensowenig wie ich vorhersehen konnte, daß ich mich in diesem Scheißkaff wiederfinden würde, gefangen im Schnee, mit einem Generalstreik am Hals und einem Mörder mit Engelsgesicht (und der zierlichen Schuhgröße 46) im Nebenzimmer.
    Ich kann heute abend gar nicht mehr aufhören zu schreiben. Ich habe nicht einmal Lust zu trinken. Ich zünde mir eine Zigarette an, das tut gut. Ich schaue die schneebedeckte Scheibe an, das Fenster der Bearys gegenüber.
    Ein Hund bellt, alles ist still, wie ein Postkartenmotiv; das erinnert mich daran, daß die Alte mit einem ihrer Söhne diese Woche den Weihnachtsbaum aussuchen geht. »Zum Tragen muß ein Junge mit«, hat sie gesagt, als wenn ich noch nie einen Weihnachtsbaum getragen hätte.
    Ich werde versuchen zu schlafen. Genug für heute. Ich kontrolliere

Weitere Kostenlose Bücher