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Die vier Söhne des Doktor March

Die vier Söhne des Doktor March

Titel: Die vier Söhne des Doktor March Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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schaue zu, wie der Schnee fällt, es ist sehr schön. Um die Tanne werden wir uns diese Woche kümmern. Es muß alles in Ordnung sein, wenn Sharon ankommt.
    Ich habe Lust, eine Runde im Flur zu machen, an den Türen zu horchen, überall ein wenig herumzustöbern. Ich gehe gerne nachts spazieren, es ist, als wäre ich in ganz verschiedenen Häusern: im Haus der Papiere in Papas Arbeitszimmer, im Haus der Messer in der Küche, im Haus der verschlossenen Türen, der Schnarcher, der knarrenden Treppen, des knirschenden Parketts.
    Es ist wie ein Haus voller Vampire, und ich, ich bin der Zeremonienmeister, der Meister des Rituals, der große Priester der schwarzen Messen. Der Wind drückt gegen das Fenster, ich schaue ihm zu und lächle ihn an.
    Es ist entschieden, ich werde eine Runde machen. Man weiß ja nie. Manchmal bleibt aus Nachlässigkeit eine Türe offen. Manchmal treibt sich spätnachts ein Kind herum und kehrt nie zurück, oder eine Katze kommt daher und streicht dumm um meine Beine. Ich nehme einen Pullover mit für den Fall, daß ich raus muß. Ich ziehe Hausschuhe an, ich kann nicht sagen, welche Farbe sie haben, aber sie sind hübsch; wir haben alle ein Paar davon, jeder in einer anderen Farbe. Mama hat sie uns gestrickt.
    Eine nette Runde auf dem Spielfeld. Ganz leise. Vorsichtig. Wegen der Späher. Wer ihr auch seid, laßt euch vor allem nicht hier blicken, denn ich bin völlig wach und warte, ich erwarte euch.
    Es ist 5 Uhr. Ich habe eine Überraschung für den Spion vorbereitet. Mit Hilfe des Gegenstandes, den ich im Schrank des Arbeitszimmers wiedergefunden habe. Ich werde schnell zu Bett gehen, ich bin ganz durchgefroren. Ihre Tür war verschlossen. Pech gehabt. Ich habe das Rasiermesser weggeräumt.
    Jeanies Tagebuch
    Ich zittere wie Espenlaub und schreibe ganz schief. Ich glaube, ich habe noch nie in meinem Leben solche Angst gehabt. Wenn jemand dieses Tagebuch findet, soll er sich bitte nicht über diese verwackelten und hingekritzelten Zeilen wundern, aber diesmal habe ich wirklich Angst gehabt. So sehr, daß ich nicht sofort alles aufschreiben kann, ich werde deshalb zuerst von heute nacht erzählen.
    Heute nacht habe ich gespürt, daß etwas hinter der Tür ist, wie neulich, ich bin mit einem Satz aufgewacht. Der Türgriff drehte sich gerade langsam. Ich sagte: »Vorsicht, ich habe einen Revolver.« Ich habe es leise, aber deutlich gesagt. Und eine Stimme, eine Stimme hinter der Tür hat geantwortet: »Ich werde dich dennoch töten.« Ganz leise hat sie das gesagt: »Ich werde dich dennoch töten.« Ich stürzte zur Tür, ich weiß nicht warum, eine Verrücktheit; ich habe aufgemacht. Aber es war niemand da, nur ein Geruch im Flur. Ein seltsamer Geruch. Der Geruch von Urin.
    Das war die Nacht, Heute morgen nach dem Frühstück gehe ich nach oben, nachdem sie das Haus verlassen haben. Wenigstens glaube ich, daß alle weg sind. Ich nehme den Mantel hoch, ich durchsuche das Futter, ich ziehe das Päckchen mit den Blättern heraus, es ist allmählich ein dickes Paket. Ich kauere auf dem Boden neben der Kleiderkammer und lausche auf alle Geräusche, und da die Alte singt, weiß ich genau, wo sie ist.
    Ich lese. Plötzlich höre ich jemanden atmen. Einatmen. Ein Atemzug in meinem Rücken. Schwer. Keuchend. Ich verharre steif und entsichere den Abzug des Revolvers in meiner Tasche. Nicht bewegen. Keine ruckartigen Bewegungen. Er ist da, hinter mir, er hebt sein Messer, ich ziehe und drehe mich um. Niemand. Ich gehe zum Badezimmer, ich öffne die Tür mit einem Fußtritt, trete mit voller Kraft dagegen, sie knallt gegen die Wand, niemand. Aber ich höre immer noch Atemzüge. Ich höre immer noch Atemzüge!
    Ich gehe mit der Knarre in der Hand im Zimmer herum. Auf dem Nachttisch stehen nur der Wecker und die Schlaftabletten von der Alten. Ich schaue das Bett an, das große Bett mit der fransigen Tagesdecke, dicke, rosarote Fransen, die bis auf den Boden reichen.
    Jetzt wird der Atem schneller, kürzer. Als ob er sich . oder als ob er Angst hätte. Ich stehe nahe am Bett, ich muß diese Überdecke hochheben, ich muß. Ich werde endlich Bescheid wissen. Ich nähere mich auf leisen Sohlen, welches Spiel spielt er? Meine Güte, was hat er vor? Mir fehlt der Mut, die Decke hochzuheben, meine Hand ist ausgestreckt, ich rühre mich nicht. Da verändert sich der Atem und wird zur Stimme, zur flüsternden Stimme, es ist die gleiche wie in der Nacht, die leise und bedrohliche Stimme aus der Nacht, die mehrmals

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