Die vier Söhne des Doktor March
Alkohol. Mama sagte zum Kommissar:
»Mein Gott, hoffentlich wollte sie nicht das Baby in die Arme nehmen und hat es dabei fallen gelassen .«
Der Kommissar hat sie angesehen und geschwiegen. Der Vater der kleinen Filzlaus hob den Kopf, er hatte rote Augen und Bartstoppeln, es war wie in einem Film. Sie sind alle ins Krankenhaus gefahren, das Baby hat zweifellos einen Schädelbruch, es muß sich ziemlich heftig am Bettpfosten gestoßen haben, auf Kinder muß man eben immer gut aufpassen. Sie werden sicherlich eine Untersuchung über dich in die Wege leiten, Jeanie, es war nicht sehr klug von dir, dieses Baby umzubringen, als so viele Leute im Haus waren. Vor allem, wenn sie gewisse Seiten aus deinem Tagebuch in die Finger kriegen . Du weißt schon, die, wo du dich selbst in Frage stellst, über deine doppelte Identität sprichst . Ich hatte dich gewarnt.
Ich werde dir trotzdem eine Chance geben. Ich gebe dir bis morgen abend Zeit, mich zu entlarven. Aber das ist wirklich die letzte Frist!
Jeanies Tagebuch
Heute morgen kam ein Anruf vom Polizeikommissariat, ich bin um 2 Uhr vorgeladen. Die Alte kam, um mich wach zu rütteln, weil ich noch schlief. Es dauerte einen Moment, bis ich verstand: Offenbar haben sie mich im Badezimmer gefunden, ich rief um Hilfe und stemmte mich gegen die Tür, obwohl man eigentlich ziehen muß. Das Baby ist heute morgen gestorben, der Doktor hat es uns beim Mittagessen mit düsterem Gesicht gesagt, er sah mich dabei schräg an.
Ich erinnere mich kaum an diese Nacht, nur Bruchstücke mit schwarzen Löchern. Ich habe das Tonband noch mal abgehört, und einiges fiel mir schlagartig wieder ein, ich . ich finde diese Aufnahme unheimlich. Ich habe das Gefühl, daß mir jemand mit dem Hammer auf den Kopf schlägt, deshalb schreibe ich so schnell wie möglich und lege mich dann hin.
Die Polizei hat mir hunderttausend Fragen gestellt. Der Kommissar war anwesend, sehr verlegen, ich hab' kein Wort zu ihm gesagt. Offensichtlich haben sie bisher nichts gefunden, sie denken, daß es ein Unfall war und daß die Säuferin, die ich nun mal bin, vielleicht dafür verantwortlich ist, aber das ist auch alles. Ich habe ihnen geschworen, daß ich nicht oben war und auch niemanden gesehen habe, der hinaufgegangen ist. Aber ich bin sicher, daß sie mir nicht geglaubt haben. Sie haben mir unaufhörlich gesagt, daß ich mich bemühen solle, mich zu erinnern, daß ich mich hinterher besser fühlen würde. Ich bin aber dumm geblieben. Ich erinnere mich absolut nicht daran, die Treppe hinaufgeklettert zu sein. Weshalb hätte ich das tun sollen? Mein Gott! Und wenn ich .? Ich war so betrunken . Nein, das ist unmöglich! Ich verstehe nicht, weshalb sie so sicher sind, daß ich es war.
Ich habe den dicken Polizisten gefragt, ob er es normal fände, daß im Umkreis einer Familie eine Leiche auf die andere folgt. »Das ist es ja gerade …« sagte er und sah mich dabei an. Und fügte dem nichts hinzu. Vielleicht sind sie ja weniger dumm, als sie aussehen .
Ich kann die Stadt nicht verlassen.
Der Mörder Jeanie-Faules-Ei-beendet-ihr-Leben-am-Donnerstag-um-Mitternacht … Hallo, Süße, wie geht's? Keine Koseworte heute nachmittag? Zu beschäftigt damit, mit dem Kommissar zu turteln? Leider, leider, mein Engel, anscheinend hat jemand beobachtet, wie Du nach oben zum Baby gegangen bist. Ein schöner anonymer Brief an Deine lieben Freunde von der Polizei. Eine Erklärung darüber, daß ich gesehen habe, wie Du in die erste Etage hinaufgestiegen und nach gut zehn Minuten mit einem sehr merkwürdigen Gesichtsausdruck wieder
nach unten gekommen bist, daß ich aber meine Identität nicht preisgeben möchte aus Angst, daß Du mich in Deinem mörderischen Wahnsinn ebenfalls angreifen könntest. Ich hätte beinahe selbst geweint, so gut habe ich gelogen! Und alles auf der Schreibmaschine der städtischen Bibliothek getippt.
Vielleicht kommt der Kommissar ja eines Tages sogar herauf bis zu mir; Du aber, Du dicker, schmutziger Lumpenberg, Du wirst dann so weit unter der Erde sein, daß Du niemals etwas davon erfahren wirst, Du wirst nie meinen Namen hören. Hast Du schon erraten, wie ich Dich umbringen werde?
Es ist 8 Uhr, wir werden gleich essen, ja, ich höre Jeanie rufen:
»Zu Tisch, es wird kalt.« Sie wird auch kalt werden! Ich finde mich wahnsinnig witzig. Gefalle ich dir so, Süße? Da du mir sowieso hinterherläufst, kannst du das ja ruhig zugeben .
Jeanies Tagebuch
Bedürfnis nach Ruhe, absolutes Bedürfnis nach
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