Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vierte Hand

Die vierte Hand

Titel: Die vierte Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
erstaunlich kleinen Penis seines Sohnes betrachtete, pißte Otto senkrecht nach oben, seinem Vater ins Gesicht. Jetzt hatte Patrick Grund, die Windel zu wechseln - keine leichte Aufgabe mit einer Hand. Nachdem er das erledigt hatte, überlegte Patrick, was er als nächstes tun sollte. Während Otto junior, praktisch eingesperrt von den Kissen, die Patrick fürsorglich um ihn herum aufgehäuft hatte, aufrecht auf dem Bett saß, durchsuchte sein unerfahrener Vater die Taschen mit Babyutensilien. Er stellte folgende Stücke zusammen: ein Päckchen Babynahrung, ein sauberes Fläschchen, zwei frische Windeln, ein Hemd, falls es draußen kühl war - falls sie überhaupt nach draußen gingen -, und ein Paar Socken und Schuhe, falls sich Otto am wohlsten dabei fühlte, in der Babyschaukel auf und ab zu wippen.
    Dieses Gerät befand sich in der Haupthütte, wo Wallingford den kleinen Otto als nächstes hintrug. Socken und Schuhe, dachte Patrick - und ließ damit die Beschützerinstinkte eines guten Vaters erkennen -, würden die winzigen Zehen des Kleinen schützen und verhindern, daß er Splitter in die zarten kleinen Füße bekam. Kurz vor dem Verlassen der Wohnung über dem Bootshaus hatte er noch die Mütze des Kleinen in die Utensilientasche gelegt, zusammen mit Mrs. Clausens Ausgabe des Englischen Patienten. Mit seiner einen Hand hatte er Doris' Unterwäsche gestreift, als er nach dem Buch gegriffen hatte.
    In der Haupthütte war es kühler, deshalb zog Patrick dem Kleinen das Hemd und, einfach weil ihn das forderte, auch Socken und Schuhe an. Er versuchte, Otto in die Babyschaukel zu setzen, doch das Kind weinte. Daraufhin setzte Patrick den Kleinen auf den Hochstuhl, was Otto offenbar besser gefiel. (Allerdings nur kurz - es gab nichts zu essen.) Nachdem Wallingford auf dem Abtropfbrett einen Babylöffel gefunden hatte, zerdrückte er eine Banane für Otto, dem es Spaß machte, einen Teil davon wieder auszuspucken, ihn sich ins Gesicht zu schmieren und sich dann die Hände am Hemd abzuwischen.
    Wallingford überlegte, womit er das Kind noch füttern könnte. Der Kessel auf dem Herd war noch warm. Patrick löste die pulverisierte Babynahrung in einem knappen Viertelliter des erhitzten Wassers auf und mischte etwas davon mit Babyflocken, aber Otto schmeckte die Banane besser. Patrick mischte die Babyflocken mit einem Teelöffel Pfirsichmus aus einem der Babygläschen. Das schmeckte Otto mit Maßen, doch mittlerweile waren ihm mehrere Bananenbreiklümpchen und einiges von der Pfirsichmus-Flocken-Mischung in die Haare geraten. Für Wallingford war offensichtlich, daß er es geschafft hatte, mehr Essen auf Otto zu verteilen, als in ihn hineinzubekommen. Er befeuchtete ein Handtuch mit warmem Wasser und wischte das Baby, so gut es ging, sauber; dann nahm er Otto aus dem Hochstuhl und setzte ihn wieder in die Babyschaukel. Der Junge wippte ein paar Minuten lang herum, ehe er die Hälfte seines Frühstücks erbrach.
    Wallingford nahm seinen Sohn aus der Babyschaukel und setzte sich mit ihm auf dem Schoß in einen Schaukelstuhl. Er versuchte ihm ein Fläschchen zu geben, aber der besudelte kleine Junge trank nur ganz wenig, ehe er alles in Wallingfords Schoß spuckte. (Wallingford trug lediglich seine Boxershorts, so daß es nicht viel ausmachte.) Otto in der linken Armbeuge und Mrs. Clausens Ausgabe vom Englischen Patienten wie ein Gebetbuch aufgeschlagen in der rechten Hand, versuchte Patrick auf und ab zu gehen. Aber Otto war so schwer, daß er ihn ohne linke Hand nicht lange auf diese Weise tragen konnte. Er kehrte zum Schaukelstuhl zurück und setzte sich Otto auf den rechten Oberschenkel, so daß der Junge an ihm lehnte; der Hinterkopf des Kindes ruhte an seiner Brust und linken Schulter, sein linker Arm war um den Kleinen geschlungen. Sie schaukelten ungefähr zehn Minuten lang vor und zurück, bis Otto einschlief.
    Patrick verlangsamte die Schaukelbewegung; während er den schlafenden Jungen auf seinem Schoß festhielt, versuchte er, den Englischen Patienten zu lesen. Das Buch mit einer Hand offenzuhalten war weniger schwierig, als umzublättern, was erhebliche Handfertigkeit verlangte und Wallingford fast genauso forderte wie seine Bemühungen mit prothetischen Hilfen - aber irgendwie paßte die Anstrengung zu den ersten Beschreibungen des verbrannten Patienten, der sich offenbar nicht erinnern kann, wer er ist.
    Patrick las nur ein paar Seiten und blieb bei einem Satz hängen, den Mrs. Clausen rot unterstrichen hatte

Weitere Kostenlose Bücher